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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

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Pabst, Arthur: Die Anwendung der Energielehre auf Kulturfragen, eine Forderung des Tages
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https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0237

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GROSSHERZOGL. KUNSTGEWERBESCHULE IN WEIMAR

Z jU


und Segen bringen konnten. Es sind sehr verschie-
dene Gebiete, auf denen sich der berühmte Natur-
forscher entsprechend den Forderungen des Tages
betätigte, Gebiete, die auf den ersten Blick scheinbar
wenig inneren Zusammenhang haben, die aber doch
in der Weise, wie sie Ostwald anfaßt, als Forderungen
des Tages erscheinen, von denen die eine die andere
gleichsam bedingt. □
□ Als Einführung in das große, weite Gedanken-
gebiet des inhaltreichen Buches dienen zunächst einige
Aufsätze über das Wesen der energetischen Betrach-
tungen. Die umfassende Bedeutung des Gesetzes von
der Erhaltung der Energie ist schon in der zweiten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts anerkannt worden
und seit jener Zeit hat sich die Überzeugung ent-
wickelt, daß dieses Gesetz die Grundlage der Natur-
wissenschaft zu bilden habe. Aber die Durchführung
dieses Gedankens im einzelnen stieß auf solche
Schwierigkeiten, daß in unseren naturwissenschaft-
lichen Lehrbüchern heute noch keine strenge Dar-
stellung der einzelnen Gesetze und Beziehungen im
Sinne jenes Gesetzes zu finden ist. Und noch we-
niger ist diese Forderung auf anderen Gebieten der
Wissenschaft zur Durchführung gekommen. So ist
das neunzehnte Jahrhundert zu Ende gegangen, ohne
daß seiner größten Entdeckung, nämlich der des Ge-
setzes von der Erhaltung der Kraft, eine praktische
Anerkennung zuteil geworden wäre. Ostwald zwar
hat im Jahre i8g6 durch seinen Vortrag über »die
Überwindung des wissenschaftlichen Materialismus«
und weiterhin seit 1902 durch seine Vorlesungen über
Naturphilosophie die Bedeutung der Energielehre
(Energetik) für die allgemeine Weltauffassung immer
weiteren Kreisen nahezubringen gesucht; aber noch
sind durchaus nicht alle Philosophen und Natur-
forscher gewillt, ihm beizustimmen, viele suchen viel-
mehr immer aufs neue die Energielehre zu wider-
legen. o
□ Von hohem Interesse sind die Bemerkungen, die
Ostwald über das Verhältnis der Energetik zur Kultur-
geschichte macht. Den Beginn der Kultur stellen wir
uns vor, indem wir annehmen, daß der Mensch Stufe
für Stufe Waffen und Werkzeuge erfunden und an-
gewendet hat, wozu das Tier sich nicht fähig zeigte.
Auf diesem Wege machte er zunächst die Energie
seiner eigenen Muskeln, sodann die der anderen Men-
schen (Sklaven), der Tiere, der Pflanzen und zuletzt
die anorganischen Energien (Wind, Wasserkräfte,
Bodenschätze) seinem Willen und seinen Zwecken
untertan. Der Begriff der Energie bedeutet die Be-
herrschung der Welt, und wenn heute nach den
volkswirtschaftlichen Theorien der Besitz des mobilen
Kapitals diese Beherrschung in erster Linie zur Folge
hat, so beruht dies darauf, daß das Kapital gewisser-
maßen die konzentrierteste und umwandelungsfähigste
Form der Energie darstellt. □

TISCHDECKE, GESTICKT, ENTWURF VON ELSE KÜHNERT
KISSEN, HANDWEBEREI, AUSFÜHRUNG: GRETE KNOCHE
KISSEN, HANDWEBEREI, AUSF.: ESTHER VON DEN VELDEN
 
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