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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

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Brandt, G.: Volkskunst in den Kieler Lazaretten
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https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0221
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Verwundeten-Arbeit (Lazarett Kiel-Bellevue)

Schmuckkasten nach altem Schleswig-Holsteinschen Vorbild

VOLKSKUNST IN DEN KIELER LAZARETTEN

VON PROF. DR. O. BRANDT

DIE in den Lazaretten jetzt fast überall einge-
geführte Beschäftigung der Verwundeten mit
kunstgewerblichen Handfertigkeitsarbeiten läßt,
wie die Ausstellungen solcher Lazaretterzeugnisse be-
weisen, sehr oft noch ein höher gestecktes Ziel und
eine pflichtbewußte künstlerische Leitung vermissen.
Da wird es anregend sein für viele Suchende, von der
Arbeit solcher Lazarette zu hören, die einen festen,
gangbaren Weg gefunden haben. In der Juninummer
des Blattes wurde die Verwundetenbeschäftigung zu
Offenbach in ihren vortrefflichen, anerkennenswerten
Leistungen vorgeführt. Namentlich Holzschnitzereien
zeigen, daß die Ziele, welche man über eine Be-
kämpfung der Langeweile hinaus dort erstrebt, näm-
lich eine Schulung des Geschmackes neben der hand-
werklichen Übung bei den Verwundeten, auch wirklich
erreicht werden. Sie werden erreicht, soweit die Ab-
bildungen ein Urteil gestatten, auf der Grundlage
modernen Kunstempfindens. In Kiel sind wir in der
Abteilung für Holzbearbeitung einen anderen Weg
mit gleich gutem Erfolg gegangen. Wir haben uns eng
an die alte heimatliche Volkskunst angeschlossen. —

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Schon im März igi5 trat hier eine von Frau
Prinzessin Heinrich von Preußen ins Leben gerufene
Organisation in Tätigkeit, die sich von vornherein auf
eine stattliche Anzahl künstlerisch geschulter Kräfte
stützen konnte. Der Bauinspektor der Stadt steht an
der Spitze. Das Thaulow-Museum mit seinen Samm-
lungen, Werkstätten und Handwerkern konnte ich in
weitestem Umfange in den Dienst der guten Sache
stellen. Der Direktor und die Lehrer der Handwerker-
schule, beruflich geschulte oder als Dilettanten geübte
Damen und Herren traten hilfreich hinzu. So haben
wir mit gutem Mut und einer mit den Erfolgen
steigenden Freude in den Lazaretten gearbeitet. Buch-
binderarbeiten, Klebearbeiten verschiedenster Art, aber
auch künstlerisch nicht geringwertige Ansichtspost-
karten in Linoleumschnitt, schwarze und mehrfarbige
Drucke wurden angefertigt. Stickereien und Stoff-
arbeiten für die ans Bett gefesselten Verwundeten,
wie Knüpfarbeiten, Netze und Hängematten, die nament-
lich von den Seeleuten sehr gut angefertigt wurden,
entstanden in verschiedensten Mustern, Korbflecht-
arbeiten und sogar Kunstverglasungen fehlten nicht.

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