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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

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Platen, Max: Die Gold- und Silbersammlung des "Vaterlandsdank": ausgestellt im kgl. Kunstgewerbemuseum in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0220

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Einige Worte sind über den Fingerring hinzu-
zusetzen. Der Herrenring diente zu Anfang des
19. Jahrhunderts zur Hauptsache als Siegelring und
aus dieser Form läßt sich an den meisten Herren-
ringen noch die Entwicklung erkennen. Ein festes
markiges, goldenes Band umschließt den Finger und
trägt oben einen farbigen Stein, der dazu bestimmt ist,
das Wappen oder das Monogramm des Trägers aufzu-
nehmen. Doch auch die Herren folgten dem Gebote
der Zeit, und so trägt auch später der Herr an schmalem
Goldreif den mehr oder weniger großen Brillanten.
Wie sinnig und lieb sind die Ringe junger Damen
etwa aus der Zeit um 1860. Blaßblaue Türkise um-
rahmen, um ein Beispiel zu nennen, ein winzig kleines
Kämmerchen, das sorgfältig ein liebes Andenken,
vielleicht auch eine unschuldige Trophäe umschließt.
Glaube, Liebe und Hoffnung kehren als Motiv häufig
wieder, doch immer bleibt die Form eine ruhige, unauf-
dringliche, und zur Ausführung ist, wenn auch sparsam,
gutes Gold verwandt (Abb. S. 207). Und nun gar der
Ehering. Darf ein so wichtiges Symbol so nüchtern
sein, wie der Ehering von heute? Wieviel sprechender
war vor etwa 80 bis 100 Jahren diese Form. Kleine
Röschen umklammern das ebenso feste Band, zwei
Hände umschließen sich zu einem innigen Bund oder
aber umfassen ein gekröntes Herz, Doppelreifen durch
ein Herz zusammengehalten usw., alles das sind häufig
wiederkehrende Formen (Abb. S. 207). Diese Ringe
haben wohl trotzdem ebenso fest gesessen. Aber be-
steht etwa ein solch großer Gegensatz zwischen der Ehe
von heute und der Ehe aus der Zeit als der Groß-
vater die Großmutter nahm? Der glatte, sich leicht
verwechselnde langweilige Reif von heute hätte dann
ja kulturhistorisch als sinnfälliger Ausdruck zu gelten.

Dem Wechsel der Zeiten ist der Bauernschmuck
nicht so unterworfen gewesen, möglich, daß das
Silberfiligran, um welches es sich hierbei zur Haupt-
sache handelt, durch die Art der Herstellung einer
fabrikmäßigen Ausschlachtung entgegenstand. Jeden-
falls ist hier die Zeit der Entstehung nicht so be-
stimmt zu umgrenzen, ja selbst die Provenienz ist
nicht immer einwandfrei festzustellen, was sich natür-
lich nicht etwa auf so starke Gegensätze wie zwischen
dem oberbayrischen und dem norddeutschen, etwa
friesischen Bauernschmuck versteht. Eine interessante
Abart bildet der vergoldete Bauernschmuck aus der
Provinz Limburg. Vermutlich hat hier in der
Franzosenzeit der holländische Bauernschmuck am
linken Niederrhein eine reizvolle Bereicherung erfahren,
jedenfalls weisen die Motive nach Frankreich. In der
Sammlung sind leider nur wenige Stücke vertreten (Abb.
S. 203). Zu dem vergoldeten Silberfaden ist als fester
haltender Grund die Fläche aus vergoldetem Silber hin-
zugekommen. Aus blattartigen Silberflächen entwickelt
sich organisch wie ein feines Rankenwerk das Filigran.

Es sind meist flache Anhänger im Empire-Charakter, die
an einer Seidenschnur um den Hals getragen wurden.

Die Ausstellung bot so dem aufmerksamen Be-
sucher sehr viel und zeigte jedenfalls viel mehr als
hier angedeutet werden konnte. Hier sollte nur ein
kurzer Überblick über die Entwicklung des Schmuckes
im vergangenen Jahrhundert gegeben werden, möge
von berufener Seite das reiche Material, das nie wieder
in einer solchen Fülle zusammenkommen wird, einer
sorgfältigen Durchsicht und eingehender Feststellung
unterzogen werden.

Gab so die Ausstellung des Vaterlandsdanks Ge-
legenheit, sich mit dem Schmucke der letzten hundert
Jahre zu beschäftigen, so dürfte eine wertvolle Fol-
gerung für die kommende Entwicklung eines deutschen
Schmuckes aus der Erkenntnis der vorliegenden Fehler
und Schwächen aber auch unter Berücksichtigung der
recht beachtenswerten Vorbilder gegeben sein. Der
Schmuck hat allein da eine verständige Form gefunden,
wo er nicht selbständig, sondern nur im Zusammen-
hang mit dem Kleid seine Daseinsberechtigung suchte.
Gut, mag der Brillantschmuck für das Festtagsgewand,
wenn auch in einer vernünftigen Lösung, Berechtigung
behalten, der Brillant müßte dann lernen, sich einer
Form einzufügen für das Kleid; so muß der
Schmuck in engster Fühlung mit der Entwicklung einer
Mode seinen Weg suchen. Hieraus ergibt sich zu-
nächst ein Haushalten in den Mitteln. Der Brillant
wird hierbei dem weniger teuren Schmuckstein den
Weg freigeben müssen, die Fülle schöner Steine, die
in den wunderbarsten Farben jedem guten Kleid
eine harmonische Ergänzung bieten können, werden
dem Schmuckkünstler Gelegenheit geben, sich ein
großes Gebiet zurückzuerobern. Anfänge sind ja vor-
handen, aber diese sind vorläufig viel zu allgemein,
um irgendwelchen Boden zu gewinnen. Die starken
Kräfte, die jetzt freigemacht werden, um eine deutsche
Mode zu schaffen, müssen sich ergänzen, um gleich-
zeitig hiermit für die deutsche Frau in gutem Material,
vom fremden Vorbild befreit, einen wahren und
schönen Schmuck zu schaffen. Es ist dies anderseits
ein Beweis dafür, wie not es tut, die Frage der Ent-
wicklung einer deutschen Mode mit allem Fleiß und
mit den stärksten Kräften zu verfolgen. Greifen hier
die Hände ineinander, so wird in zielbewußter und
hartnäckiger Arbeit mit der Schaffung einer deutschen
Mode dem deutschen Kunstgewerbe, besonders der
deutschen Schmuckkunst, ein neuer Boden bereitet.

In Berlin war die Sammelstelle des »Vaterlandsdank« im
Königlichen Kunstgewerbe-Museum ; sxe. wurde von Herrn Geh.
Reg.-Rat Dr. Hermann Muthesius geleitet, der, unterstützt von
den Herren Eppler und Platen, aus den überreichen Eingängen
die besten Stücke auswählte und zu einer schönen, kunstge-
schichtlich sehr bemerkenswerten Ausstellung vereinigte.

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