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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

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Carabin, François-Rupert: Das Holz
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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0088

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oder Metall erhält. Diese Unkenntnis der Anforderungen der
Materie hat Stühle gezeitigt, die sich unter dem Gewicht des
Menschen biegen, und Möbel, die, infolge der dem Holz
eigentümlichen Veränderungsprozesse, auseinanderfallen.

Die schöne Bewegung der Wiedergeburt, die einige
Jahre vorher in Frankreich ins Leben gerufen worden war,
wurde durch diese Invasion zum Stillstand gebracht, und
mancher Einsichtsvolle und Erfahrene, der den Anforde-
rungen der Materie gerecht werden möchte, bleibt gegen
seine bessere Überzeugung beim Jugendstil.

Wer, wie wir, Gelegenheit hatte, im Jahre 1908 in
München der zweiten Versammlung des Vereins für hei-
mische Dekorationskunst beizuwohnen, hat auch in Süd-
deutschland, wo der Jugendstil einen so fruchtbaren Boden
gefunden, feststellen können, daß man sich auf sich selbst
besonnen und wieder angefangen hat, eine Technik des
Holzes zu schaffen, unfreiwillig vielleicht, aber sicher von
dem Bestreben geleitet, durch Einfachheit wieder eine Schön-
heit der Form herzustellen. Dieses Streben führte zu den
einfachen Linien des senkrechten Würfels ohne Verzierungen.
Man brachte nur die Schönheit der Farben und der Struktur
des Holzes zur Geltung. Diese Technik wurde durch die
Logik geschaffen, denn das so behandelte Holz bietet bei
einem Minimum von Material ein Maximum von Resistenz.

Wenn diejenigen unserer guten Handwerker, die den
Jugendstil französieren wollen, ein wenig mehr von Technik
verstünden, so würden sie ihre Absichten um vieles ändern.
Diese Bogenformen, in Holz ausgeführt, bedingen, um halt-
bar zu sein, eine Verschwendung von Material, wie die
Wölbungen aus dem XVIII. Jahrhundert, die man dadurch
erzielte, daß man das Holz einer Prozedur unterwarf, bei
der das Feuer eine Hauptrolle spielte, und die eine beab-
sichtigte Form herzustellen ermöglichte, ohne daß ihre
Solidität litt. Unsere Handwerker aber schneiden ihre
Bogenformen aus dem Block. Dabei wird die Faser durch-
schnitten, und um eine gleichmäßige Haltbarkeit zu er-
zielen, ist eine dreifache Masse von Material nötig. Sie
verwenden die Materie für die Form und nicht die Form
für die Materie.

In Frankreich haben seit langer Zeit Künstler, wie
Fourdinois unter dem zweiten Kaiserreich in Paris und später
Galle in Nancy, um nur diese beiden zu nennen, versucht,
das Holz wieder zu Ehren zu bringen. Zwar schuf Four-
dinois im Stile der Renaissance, aber es war eine Renais-
sance für sich, ein persönlicher Stil, und jedes Museum
schätzt sich glücklich, wenn es eine Probe seiner Kunst
besitzt. Galle aber hat nicht nur wunderbare Meisterstücke
der Auslegekunst von außerordentlicher Farbenharmonie
geschaffen, sondern er hat auch wieder und wieder ver-
sucht, uns von den Stilformen abzubringen, von denen
unsere Handwerker sich durchaus nicht trennen wollen.

Weder der Staat noch die Stadtverwaltungen haben
diese Bahnbrecher ermutigt. Der Käufer selbst stürzte
sich auf das Neue, das irgend ein Snob oder eine geschickt
gemachte Reklame anpries, und diese Reklame verursachte
auch den Erfolg des vom Auslande importierten Jugend-
stils; aber ebenso schnell wandte sich das Publikum den
schlechten Imitationen älterer Stilarten zu. So blieben alle
Anstrengungen, die man in Frankreich zur Wiedergeburt
unserer Kunstindustrie machte, auf den Einzelnen be-
schränkt.

Um es nun noch einmal kurz zu sagen: Das Holz ist
die wunderbarste Materie, die die Natur dem Menschen
gegeben hat, und für diesen Kultus dieser Materie brauchen
wir Priester. Es sind die Handwerker und Praktiker, die,
ausgerüstet mit einer bewährten Technik und gewappnet
mit den von den Voreltern überlieferten Erfahrungen,
unserer Kunstindustrie die so sehnlich erwartete Wieder-
geburt schenken werden. Diesem Handwerker, diesem
Praktiker müssen wir die ganze Wichtigkeit seiner sozialen
Stellung klar machen, ihm zeigen, daß die Kunst lebt
ebenso in der Gestalt eines Gebrauchsgegenstandes, in
der verständigen Benutzung der Materie, wie in der
Ölmalerei und Bildhauerkunst, die das Monopol für sich
allein beanspruchen.

Der Arbeiter, der in seinem Fach erfahrene Techniker
allein, wird unser Erbteil wieder zu Ehren bringen. Das
Erbteil unserer Kunstindusrie.



KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU







NEUE BUCHER

Deutsches Warenbuch (Kriegsausgabe), herausgegeben
von derDürerbund-Werkbund-Geiiossenschaß in Hellerau
bei Dresden. Mit Einleitung von Dr.Jos. Popp, München.
258 Seiten Abbildungen von ungefähr 1500 Gegenständen.
Mit Preisliste M. 2.50.

Es ist das nicht hoch genug anzuschlagende Verdienst
von Ferdinand Avenarius, daß dies Werk zustande kam.
Er regte den Plan an und wollte ihn sogar gegen den
Widerstand der Kaufmannschaft durchsetzen, als im letzten
Augenblick noch eine sehr erfreuliche Verständigung mit
drei großen Einkaufsgenossenschaften, die anderthalb-
hundert große Ladengeschäfte hinter sich haben, erzielt
werden konnte. Aus dem Saulus-Händler wurde ein Paulus.
Die Ladengeschäfte sagten sich: »Haben wir doch die mei-
sten dieser Waren, allerdings aus Minderwertigerem nicht
besonders hervorgehoben, schon immer geführt, und nun
sollen wir uns öffentlich unter die Vormundschaft der Ge-
schmacksherren stellen?« Dann siegte die Erkenntnis, daß
die Auszeichnung gewisser Waren durch die Dürerbund-
Werkbund-Marke gar nicht eine Nötigung der Händler be-

deuten, vielmehr den Konsumenten das Finden und Kaufen
geschmacklich einwandfreier Waren erleichtern sollte. Darin
besteht das Verdienst der Sachverständigen-Ausschüsse,
die allerorten in zweijähriger Arbeit nicht Kunstgewerbe,
sondern reine Gebrauchsformen zusammensuchten, die eben
wegen ihrer sachlichen Anspruchslosigkeit sich miteinander
vertragen und einen unvergänglichen Mindestwert darstellen,
unter dem der Fabrikantenkitsch beginnt und über dem
sich der persönliche Geschmack erheben kann. Auf dieser
Linie wird niemand betrogen und wird gut, sicher und an-
ständig kaufen.

Wir bemerken einige Fehler. Es war nicht notwendig,
Schmuck und solche Gegenstände aufzunehmen, die einen
Ausflug ins Kunstgewerbe bedeuten und nun durch ihre
Anwesenheit im Warenbuch zum Glauben verleiten, auch
die anderen Dinge kämen aus den Gebieten des Kunst-
gewerbes. Wir wollen aber stolz und froh sein, wenn die
Waren des Warenbuches zum Allgemeinbesitz des deut-
schen Volkes werden, denn dann wird eine Grundlage ge-
schaffen sein, die man den Takt des Hausrates nennen
kann und an der jegliche Schunderzeugung machtlos zer-
schellen muß. Dies Warenbuch muß als Anschauungs-

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