Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

DOI Artikel:
Rauecker, Bruno: Der Krieg als Erzieher zur Type, [1]
DOI Artikel:
Schulze, Otto: Das Malerische in der Baukunst und in der Landschaft
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0022

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
diese Vorschläge von grundsätzlicher Bedeutung.
Wohnungspolitiker und Bauvereine, Grundbesitzer
und Hausbesitzer haben sich zu einem einzigen Sprach-
rohr dieser Gedanken zusammengefunden. Mit allem
Nachdruck verlangen sie die Freigabe des Klein-
wohnungsbaues unter typischen Bedingungen, in ver-
ständiger Handhabung der einschlägigen Baugesetze.
>Es erscheint dringend notwendig, daß die bisherigen
gemeindlichen Bedingungen, insbesondere die Er-
schließungsverträge, welche die Regulierung von Stra-
ßen vom Baue größerer Wohnungen abhängig machen
oder sonstwie den Bau von Kleinwohnungen ein-
schränken, in gegenwärtiger Zeit und für die Zeit

nach dem Kriege außer Kraft gesetzt werden, damit
der Bau von Kleinwohnungen möglichst bald wieder
aufgenommen und in eine dem Bedürfnis entsprechende
Bahn gelenkt wird«, so schreibt der Schutzverband
für Deutschen Grundbesitz in einer Eingabe an den
preußischen Landtag. Auch wir sind der Ansicht,
daß es eine der ernstesten Aufgaben unserer Gesetz-
gebung sein muß, diesen grundsätzlichen Richtungen
und Wünschen in Theorie und Praxis sichernde ge-
setzliche Wirkungen zu verschaffen. — (Ein zweiter
Artikel, der sich mit dem Modeproblem befaßt, folgt
in nächster Nummer.)

(Fortsetzung folgt.)

DAS MALERISCHE IN DER BAUKUNST UND IN DER LANDSCHAFT

VON PROF. OTTO SCHULZE-ELBERFELD

WIR finden trotz aller Inanspruchnahme durch den
Krieg noch immer Zeit und Muße, uns mit Fragen
zu beschäftigen, deren Beantwortung durch die
Ereignisse unterbrochen wurde. Es sind Fragen, die nie-
mals ganz und allseitig befriedigend beantwortet werden
und auch nicht beantwortet werden können, weil sie von
Stimmungsschwankungen und Kunstrichtungen abhängen,
die abseits eigentlicher Kulturfragen und unserer mate-
riellen Zeit liegen. Aber das hier zu behandelnde Thema
ist in des Wortes härtester Bedeutung zu einer brennenden
Frage geworden angesichts dessen, was unter den ehernen
Gesetzen des Krieges an malerischen Werten der Bau-
kunst und der Landschaft verloren geht. Alles eigent-
liche Klagen und Anklagen über die unersetzlichen Ver-
luste an Meisterwerken der Architektur und malerischen
Stadtbildern, Straßenzügen und Gassenwinkeln, an Natur-
bildern mit alten Siedelungen, an bloßen Naturdenkmalen
und Zeugen alter und ältester Zeit soll hier verstummen,
Freund und Feind sind in gleichem Maße davon betroffen
worden. Ob wir unsere Blicke diesseits der Landes-
grenzen schweifen lassen im Elsaß und in Ostpreußen,
oder weit darüber hinaus, wo deutsches Blut das er-
weiterte deutsche Vaterland heiligte, überall offenbaren
uns Trümmer- und Brandstätten, daß hier wirklich eine
Vergangenheit versunken und begraben worden ist mit
ihren Schätzen, aus der einst die Kriegsgeschichten heraus-
klingen werden: »Es waren einmal blühende Städte und
Dörfer mit alten prächtigen Kirchen, Schlössern, Rat-
häusern, Zunfthäusern, malerischen Hütten und Fried-
höfen — — - es waren einmal uralte Wälder auf jenem
Gelände — — und wie sonst derartige Erzählungen an-
fangen mögen.-------

Aber trotz allem angesichts der viel schwereren Ver-
luste an Menschenleben, Kraft und Gesundheit kein Klage-
lied an dieser Stelle. Sicher wird aus allen diesen Ruinen
auch wieder neues Leben erblühen, das wiederum Kunst
und Freude wecken wird. Naturgemäß wird das Bild,
das hier und dort neuersteht, ein anderes sein als das
versunkene, denn man wird vernünftigerweise nicht den
Ersatz auf »alt« oder »malerisch« stimmen wollen, wie
man ja auch einen zerstörten Wald nicht wieder anders
erstehen lassen kann als durch Neupflanzung. An den
Stellen des überstandenen Kampfes wird das wirkliche

Leben handeln müssen und für das eintreten, was wiederum
dem bloßen Leben zunächst am günstigsten zu dienen
vermag. Seien wir ganz offen; mit mancher malerischen
Gasse und manchem windschiefen Bauernhäuschen ist
auch viel Wohnungselend, das sonst vielleicht noch Jahr-
zehnte einem bescheidenen Menschenglücke gedient hätte,
verloren gegangen, um das wenig zu klagen sein wird.
Die Studienreisen der Maler und Architekten, wie auch
der Kunst- und Geschichtsforscher, dann der Kunstfreunde
und Naturschwärmer mögen durch all das Kriegsleid manche
harte Einschränkung erfahren müssen, für die nun viel-
leicht im eigenen Vaterlande, das glücklicherweise an
ähnlichen Schätzen noch ungeheuer reich ist, Ersatz ge-
funden werden wird. Wir werden daraus nun noch mehr
als bisher die alten Baubilder unter Schutz stellen müssen,
ähnlich wie das auch mit den Naturschutzreservaten ge-
schieht, um das, was das Vermächtnis des Krieges uns
hinterlassen wird, der Spekulation und ungestümem Bau-
eifer, auch sogenannten Verkehrsinteressen zu entziehen.
Im Elsaß wie in Ostpreußen und in den uns als Sieges-
gewinn zufallenden Landesteilen werden Vorkehrungen
getroffen werden, um das nun in ungeahnter Fülle zu ver-
wirklichen, was in der bisherigen emsigen Arbeit durch
Heimatschutzpflege, Heimatkunst-Museen und Geschichts-
vereine dafür unbewußt vorbereitet worden ist. Auch die
größtenteils auf behördliche Maßnahmen hin durchge-
führte Aufnahme und Inventarisierung der Kunstdenkmäler
in allen Landesteilen Deutschlands werden dazu beitragen,
daß dem Geiste nach, nicht nur äußerlich, das aus den
Ruinen erstehende Neue die Beziehungen zu dem »Guten
Alten« und dem »Bodenständigen« erkennen lassen wird.
Gewissen romantischen Richtungen mit den Absichten
auf malerische Wirkungen wird man voraussichtlich keine
zu weit gehenden Zugeständnisse machen, denn viele
Einzelteile aus den alten Beständen heraus, die eben
Träger des Malerischen waren, werden von unseren Bau-
ordnungen ohne weiteres ausgeschaltet werden müssen.
Die neuen Verkehrsmittel bedingen ganz andere Straßen-
züge, der moderne Straßenbau wie auch die Bekämpfung
von Wassers- und Feuersnot, dann die gesundheitlichen
Forderungen haben nicht nur dem Wohngebäude ein ganz
anderes Erscheinungsbild gegeben, sondern vor allem dem
Gebäude an sich und besonders den öffentlichen Ge-

— 12 —
 
Annotationen