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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

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Hillig, Hugo: Kunstgewerbliche Symbolik, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0158

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KUNSTGEWERBLICHE SYMBOLIK

VON HUGO HILLIG

II.
SYMBOLISCHE ORNAMENTE.

DIE meisten alten Ornamente wohl haben in ihrer
Ursprungszeit etwas bedeutet, z. B. Zickzack- und
Wellenband die Naht. Bekannt sind die Meinungs-
verschiedenheiten über die Herkunft des Mäanders. Die
Forschungen um die frühesten Ursprünge der Ornamentik
und über die Zusammenhänge dieser Anfänge sind ja noch
nicht abgeschlossen, aber das lassen sie schon erkennen,
daß sehr viele der alten ornamentalen Formen auch irgend-
eine Bedeutung hatten, die über den bloßen Schmuckzweck
hinausging. Auch die Volute und die Spirale sind wohl
nicht bloße Formspielereien von Anfang an. Wunderbare
Beziehungen zwischen Sprache und Symbol, Schrift und
Ornament, zwischen geistigem Leben und Ausdruckstrieb
deuten sich hier an, und wenn man es nicht gern sieht,
daß alte Symbole in neuer Ornamentik überhaupt gebraucht
werden, so kann man einwenden, daß es doch nur einige
wenige von ungemein vielen solcher alten Symbolformen
sind, die noch nicht haben untergehen können, die also
noch lebensfähig sein müssen.

Die Lebenskraft solcher symbolischer Ornamente liegt
aber wahrscheinlich tiefer begründet, als daß sie etwa durch
bloße sklavische Übernahme aus einem Zeitalter in das
andere am Leben geblieben wären. Wir müssen an die
Urformen der Ornamentik denken, wenn wir erkennen
wollen, warum solche Ornamente unsterblich sind. Rein
formal können wir schon einen Schlüssel zu dieser Frage
finden: die recht- oder schiefwinklige Kreuzung von Strichen,
der Kreis, dazu die sinnliche Vorstellung einer Bewegung,
dann der Rhythmus, der diese Bewegung gliedert, die
Reihung in einer Richtung oder um einen Mittelpunkt
herum, aufsteigende oder entfliehende Richtung — das alles
hat in den ersten bewußten Ornamentformen einen Sinn
gehabt und ist Ausdruck gewesen für Empfindungen, die
die Sprache noch nicht ausdrücken konnte. Die ursprüng-
lichen Ornamente hatten wohl alle eine symbolische Funk-
tion. Heute ist die Sprache beim Kulturmenschen so ent-
wickelt, daß sie das alles auch in Worten ausdrücken kann,
und es scheint so, als ob nun dafür etwas von dem ur-
sprünglichen Formensinn verkümmert wäre. Die Stilkultur
der Form hat zudem das Urtümliche im Ornament zurück-
gedrängt und dafür Typen geschaffen, die sich nach anderen
Gesetzen und Rücksichten modelten, als nach denen der
ursprünglichen Ausdrucksbestimmung; vielleicht können
diese ursprünglichen Ausdrucksbestimmungen den viel-
fältiger und komplizierter gewordenen Ausdrucksabsichten
des Kulturmenschen nicht mehr genügen. Aber beim primi-
tiven Menschen, sogar noch bei Völkern aus dem Hinter-
wald, etwa bei den Balkanvölkern, um ein naheliegendes
Beispiel zu nennen, ist in der Volkskunst diese Ursprüng-
lichkeit noch vorhanden. Und wie es auch sonst mit der
Vererbung geistiger Eigenschaften ist, daß sie nämlich
Generationen hindurch latent bleiben und dann plötzlich
wieder in einem Menschen zutage treten können, so kann
es auch hier sein, daß künstlerisches Keimgut aus frühen
Zeiten oder von einem Blutmischungseinschlag von primi-
tiven Völkern her wieder erwacht; es ließen sich moderne
Ornamentiker nennen, die — bewußt oder unbewußt mag
gleich sein — solche Urformen der Ornamentik und damit
auch alte Symbole wieder ans Licht unserer Tage bringen.

Walter Crane hat das in seinen »Claims« einmal so aus-
gedrückt: »Die eingeborene Kunst, die in allen noch nicht
ausgebeuteten Gegenden existiert, ist hochinteressant, in-
dem sie zeigt, wie natürlich das Volk kollektiv seinen Sinn
für Schönheit und Farbe ausdrückt (C. spricht von den
bildenden Künsten), wie natürlich, wenn Muse und einiger-
maßen leichte Lebensbedingungen vorhanden sind, der
Kunstinstinkt sich selbst betätigt. Auf Grund dieser un-
auslöschlichen Spontanität würde ich mich anheischig machen,
neue Künstformen zutage zu fördern, wenn selbst alle Typen
und Bedingungen der Kunst der Vergangenheit zerstört
wären.« Sicherlich aber würde ein großer Teil dieser
neuen Formen, wollen wir hinzufügen, irgend einmal schon
dagewesen sein.

Da es sich hier jedoch weniger um ornamentgeschicht-
liche Betrachtungen handelt, als um ornamentale Symbole,
müssen wir uns mit diesen Vorbemerkungen genügen
lassen. An jeder der nachfolgenden Symbolformen läßt
sich sowohl ein hohes Alter, als auch eine weite Ver-
breitung über die verschiedensten Kulturbezirke nachweisen.
So ist das Hakenkreuz (Svastika v. svasti — im Sanskrit: Glück)
unbekannten Ursprungs* es nimmt seinen Weg aus dem
Orient nach dem Kaukasus, nach Indien, nach China und

TJ

Vom Triquetrium zum Hakenkreuz.
1,2: FigürlicheTriquetramotive; 3: Dänisches Triquetrium; 4: Röm.-germ.
Triquetrium von der Saalburg; Mondschlüsselchenornament; 6, 7: Lineare
Triquetraornamente; 8: Übergangsform zum Drehkreuz; 9,10: Fränkische
Drehkreuze; 11 — 19: Hakenkreuzformen; 20: Japanisches Familienwappen.

Japan, nach Europa und Skandinavien, schließlich auch
nach Amerika. Das Hakenkreuz hat im Laufe seiner Ge-
schichte verschiedene Namen erhalten, so crux gammata,
croix patee, Pfötchenkreuz, und auf seine kultische Be-
deutung weist auch der Name Gnostikerkreuz hin (Gnostiker

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