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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

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Carabin, François-Rupert: Das Holz
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https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0086

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DAS HOLZ1)

VON F. R. CARABIN

DIE Form aus der Materie bilden und Freude an der
Arbeit haben, das sind zwei Grundvorbedingungen,
aus den heraus sich der Handwerker zum Künstler
erhebt. Wir alle sind Handwerker, und wenn wir beim
Arbeiten auf einer höheren Stufe stehen als eine lebende
Maschine, wenn wir ein Stück von unserem Herzen in das
Werk hineinlegen, und wenn wir vor allem mit ganzer
Seele arbeiten, dann schaffen wir ein echtes Kunstwerk.

Diese Einleitung, die die Kunst als etwas Undefinier-
bares, als eine individuelle Schöpfungskraft darstellt, unab-
hängig von Theorie und Technik, gestattet mir, von der
wunderbaren Materie, dem Holz zu reden, ohne daß ich
dabei an einen besonderen Künstler oder eine besondere
Kunst denke, weder an die Kleinkunst, noch an die höhere
Kunst, noch an die Dekorationskunst usw.

Das Holz ist unstreitig der erste Stoff, der von den
Menschen verarbeitet und nutzbar gemacht worden ist, die
Holztechnik hat lange vor uns den Gipfel der Vollkommen-
heit erreicht, und die heutige Wissenschaft hat nur fest-
stellen können, daß das, was wir Empirestil nennen, nichts
anderes ist, als das Resultat der Beobachtungen des Hand-
werkers, die sich von Generation auf Generation vererbt
haben'2). Ebenso sicher ist, daß lange vor Kenntnis der
Gesetze über die Resistenz der Materie, die Praktiker dem
Holz das Maximum von Widerstand zu verleihen wußten.

Im 16. Jahrhundert scheint die Holztechnik auf ihrem
Höhepunkt zu sein, und die Eisenkonstruktionen unserer
modernen Ingenieure scheinen noch lange nicht die Schön-
heit der Holzbauten aus dieser Periode erreicht zu haben,
weder in bezug auf Technik noch vom künstlerischen Stand-
punkte aus betrachtet. Tischler und Zimmerleute kannten
nicht den Gebrauch des Leims, alles wurde durch Ver-
zapfung, Verzahnung, abgerundete Verlängerungen, durch
Keile, Nägel usw. zusammengefügt. Dies hatte den Vor-
teil, daß man die Arbeit auseinander nehmen konnte, wenn
das Holz sich an den Fugen verzog, sich warf oder sprang.

Auch der Bildhauer oder Schnitzer ließ sich von der
Materie leiten, er zerschnitt nie die Faser, um seine Pfeiler,

1) Dieser Aufsatz eines Angehörigen des feindlichen
Auslandes war schon seit langer Zeit zum Druck vorbe-
reitet; an seinem Erscheinen in der Kriegszeit werden
unsere Leser keinen Anstoß nehmen, weil wir die feind-
lichen Gefühle nicht auf künstlerische Dinge ausdehnen
und hier nur einen ideellen' Wettstreit kennen. Carabin
gehörte übrigens vor dem Kriege zu den wenigen fran-
zösischen Künstlern, die deutsche Kunst gesehen hatten
und achteten. Die Schriftleitung.

2) Schon im 18. Jahrhundert tauchte der Handwerker
das Holz, um es dem Prozeß des Alterns zu unterwerfen,
in Jauche, dadurch erhielt es nicht nur eine schöne Fär-
bung, sondern wurde auch widerstandsfähig gegen das
Sichwerfen und Springen, denen frischverarbeitetes Holz
so sehr ausgesetzt ist. Vor etwa 20 Jahren spezifiziert ein
amtlicher Bericht an die Akademie der Wissenschaften, daß
Alkali, durch seine Wirkung auf die Stärketeile und das
Zellengewebe, grünes Holz dem alten vollständig ähnlich
macht. Nun ist aber Jauche außerordentlich alkalihaltig.

3) Das Rad am Wagen liefert den besten Beweis für
das Maximum der Resistenz durch die zweckmäßige An-
ordnung der Faser in Nabe, Speichen und Felgen. Je
länger und mehr gleichlaufend die Fasern sind, desto leichter
und besser ist der Teil.

Panneaus usw. nicht zu dünn oder zu schwach zu machen,
ja oft schrieb ihm die Faser die Bewegung seiner Figur
vor. Wenn ein Stück anzusetzen war, so fügte er es durch
einen Keil in den Block, der ein Baumstamm oder ein
Hauptast war, ein. Sobald die Skulptur fertig war, höhlte
der Bildhauer sie sorgfältig von der Rückseite her aus,
um das Kernholz, die Ursache des späteren Rissigwerdens
seines Werkes, zu entfernen.

Das 17. Jahrhundert gehört dem Ebenist oder Eben-
holzarbeiter. Das Ebenholz kam wegen seiner Kostbarkeit
zu dünnen Platten geschnitten, die mit glühendem Gummi-
lack auf Eichenholz oder irgend eine andere einheimische
Holzart geklebt wurden, in den Handel. Dieser Industrie,
die aus Italien kam, verdanken wir die wunderbaren Möbel
von Boule. Aus derselben Periode stammt auch jene
elende Pfuscherei, das Furnieren, die noch begünstigt
wurde durch Anwendung des Leims, der, nachdem er den
Gummilack beim Furnieren verdrängt hatte, auch den
Zapfen beim Zusammenfügen ersetzte.

Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts verarbeitet der
Handwerker zum Furnieren nur exotische Holzarten
wegen ihrer hohen Preise , und einheimische nur in den
seltensten Fällen zu Dekorationen bei Einlegearbeiten.
Zum Verarbeiten für glatte Flächen lieferten immer unsere
Wälder das Material.

Wenn die exotischen Holzarten eine große Mannig-
faltigkeit in der Färbung aufwiesen, so ist dagegen die
Qualität ihrer Resistenz sehr begrenzt. Sie sind sehr weich
oder sehr hart, sehr schwer oder sehr leicht, sie sind spröde,
was sie untauglich macht zur Skulptur oder zur feineren
Modellierkunst. Unsere guten Handwerker ziehen gewöhn-
lich die einheimischen Hölzer den importierten bei weitem
vor, und wenn sie auch manchmal unser Eichen- und Nuß-
baumholz durch fremde Holzarten ersetzen konnten, so
würden sie doch niemals eine Holzart finden, die dem
Apfel- und Birnbaumholz gleichkommt.

Der Anfang des 19. Jahrhunderts bringt die ersten
Möbel aus massivem »Antillenholz« d. h. Mahagoniholz,
einem sehr weichen Holz von geringer Dichtigkeit, das
sich vorzüglich zu der schweren Form der damaligen Möbel
eignete, ohne ihr Gewicht übermäßig groß zu machen.
Gleichzeitig entwickelt sich die Furnierkunst, wohl noch
ein Überbleibsel der Einlegekunst, da ja nun mit Vorliebe
das knorrige Holz des Nußbaumes zugerichtet und so an-
geordnet wurde, daß die den Knorren eigentümliche,
marmorierte Maserung Ornamente bildete.

Unsere einheimischen Holzarten übertreffen an Dichtig-
keit, Widerstandsfähigkeit und Feinheit der Struktur bei
weitem jede exotische Holzart. Sie haben wohl eine schönere
Färbung, ja ihre Färbung ist leuchtend, wenn man das
Holz eben verarbeitet hat, aber sie verbleicht mit der Zeit
und wird manchmal geradezu häßlich.

Eins der wunderbarsten Materiale, die wir besitzen,
ist das Birnbaumholz. Keine exotische Holzart wird ihm
je gleichkommen an Feinheit der Zellen und Dichtigkeit,
außerdem bietet es den Vorteil, daß es außerordentlich
leicht Farbe annimmt. Leider ist diese schöne Holzart
immer seltener geworden und wird endlich ganz aufhören,
unserer Gewerbekunst als brauchbares Material zu dienen.
Vor etwa 40 Jahren wurden alle Vorräte an Birnbaumholz
erschöpft. Die Mode verlangte falsches Ebenholz, und das
ließ sich prächtig aus Birnbaumholz gewinnen, wegen der
geringen Schwierigkeit des Färbens. Vollständige Laden-

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