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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

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Carabin, François-Rupert: Das Holz
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https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0087

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Abb. 5

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KJ

Abb. 6

Abbildungen zu dem Aufsatz

»Die Ausbildung des Kunstgewerbes

auf Seite 64

Abb. 1

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K5J

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■I

3,5

einrichtungen wurden so hergestellt, und auf der Welt-
ausstellung 1878 waren alle Vitrinen aus schwarzgefärbtem
Birnbaumholz. Es war geradezu eine Barbarei, dieses
herrliche Material so durch Verschminken seiner natür-
lichen Schönheit zu berauben. Die zweite Ursache für das
Verschwinden des Birnbaums aus der Industrie ist, daß
dieser schöne Baum, der fähig ist Bretter zu liefern,
deren beträchtliche Dimension sie zur Bearbeitung geeignet
macht, nur unansehnliche, ungenießbare Früchte hervor-
bringt. Nun veredelt man den Baum und verbessert so die
Frucht auf Kosten des Holzes, das jetzt höchstens noch zur
Bleistiftfabrikation tauglich ist.

Eine andere einheimische Holzart, die schwer zu er-
setzen wäre, ist das Nußbaumholz; es hat bei genügender
Dichtigheit ein sehr feines Gewebe, hat feste Fasern und
eine wunderschöne Färbung, namentlich wenn es alt wird.
Es eignet sich ebensowohl fürBildhauerkunstundSchnitzerei,
als auch zur Herstellung von schlichten Flächen.

Wenn das Eichenholz durch Mahagoni verdrängt wurde,
so ist das nicht sehr bedauerlich! Der Eichbaum liefert
nur brauchbares Material, wenn er auf trockenem, felsigen
Boden wächst, hier braucht er aber 2—300 Jahre, um seinen
Stamm so weit zu entwickeln, daß er schönes, kleinzelliges
Material liefert. Im Laufe das 19. Jahrhunderts hat der
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Eisenbahnbau unsere Eichenwälder verschlungen. Heut-
zutage wird die Eiche viel zu sehr in feuchtem, fetten
Boden getrieben, darum kann ihr Holz nur zu Arbeiten ver-
wendet werden, bei denen es nicht auf Feinheit der Aus-
führung ankommt, und auch für diese Art von Arbeit ist
es eigentlich nicht recht geeignet wegen seiner allzugroßen
Porosität.

Diese drei Holzarten werden in unserm Kunstgewerbe
am häufigsten verwendet. Mit gutem Erfolg verarbeiteten
unsere Vorfahren das Holz des Kirschbaums, der Erle, Eber-
esche, Kastanie und Linde; auch wohl Buchenholz, wenn
es vergoldet oder bemalt werden sollte, und unsere Fabri-
kanten von Nachahmungen verwenden sogar Pappelholz,
das sie mit einem eichenen Furnier bedecken.

In unserer Zeit scheint die schöne und hochentwickelte
Technik, die uns eine Reihe so mannigfaltiger Stilarten ge-
schenkt hat, seit der Gotik bis in das Zeitalter Ludwigs VI.,
ja selbst bis in die Empirezeit hinein, ganz vernachlässigt
worden, wenn nicht gründlich verloren gegangen zu sein.
Den überzeugendsten Beweis dafür hat uns 1S95 das Umsich-
greifen des Jugendstils gegeben. Diese fürchterliche Kunst,
die ihren Ursprung in Belgien hat, ist eine wahre Orgie
von modellierten Linien und Rundungen, wobei das Holz
dermaßen mißhandelt wird, daß es das Aussehen von Stein

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