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Kunstliteratur: Periodica — 1925/​1926

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Heft 1 (April 1925)
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https://doi.org/10.11588/diglit.56624#0007
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DIE KUNSTLITERATUR
BEILAGE ZUR ZEITSCHRIFT FÜR BILDENDE KUNST
Heft i April 1925

Vom 59. .Jahrgang ab führt die „Zeitschrift für bildende Kunst“ eine Beilage unter
dem oben genannten Titel. Es sollen darin die kunstgeschichtliche und archäologische
Forschung sowie kunstwissenschaftliche Arbeiten von allgemeinem Interesse eingehend
besprochen werden. Außerdem wird „Die Kunstlileralur' von Zeit zu Zeit zusammen-
fassende Berichte über bestimmte Einzelgebiete der Kunstgeschichte und Archäologie
enthalten, die über die Fortschritte der Wissenschaft laufend Auskunft geben, wobei
auch die Zeitschriften gebührende Berücksichtigung finden sollen. Die Literatur
über lebende Kunst wird die im gleichen Verlage erscheinende „Kunstchronik“ pflegen.

Erwin Panofsky, Die deutsche Plastik des
11.—13. Jahrhunderts. 137 Tafeln in Licht-
druck. Textband und Abbildungsband. München
1924, Kurt Wolff.
Dem schönen Bande Wilhelm Pinders über die
deutsche Plastik des 15. Jahrhunderts läßt der Kurt
Wolff Verlag nunmehr eine Reihe weiterer Bücher
folgen, die den übrigen Abschnitten der Geschichte
unserer Plastik gewidmet sind. Die vorliegende Ver-
öffentlichung Erwin Panofskys ist als erste der Reihe
gedacht. Leider wird bei dieser Einteilung das reiche,
bisher durch große Abbildungen, etwa vergrößernde
Detailaufnahmen, noch so wenig erschlossene Ge-
biet der frühmittelalterlichen und romanischen Klein-
plastik überhaupt nicht berücksichtigt. Panofsky
hat sein Buch mit Recht so gut wie ausschließ-
lich auf die große Skulptur eingestellt. Der Verlag
sollte es sich überlegen, ob in seiner Folge gerade die
ersten, so wichtigen Jahrhunderte, das neunte und
zehnte, und die Elfenbein- und Goldschmiedeplastik
bis in die spätromanische Zeit hin wirklich ganz aus-
fallen sollen. Ließe sich nicht noch ein schöner, dem
Panofskyschen vorangehender Band zusammen-
stellen, der für Publikum und Fachmann in gleicher
Weise wertvoll sein könnte?
Die trefflich ausgewählten Lichtdrucktafeln wollen
kein unbekanntes Material publizieren, sondern nur
das historisch Wichtigste bringen. Man hat eigent-
lich alles Hervorragende in Proben, und die Schritt-
steine der Entwicklung sind deutlich. Bei einigen
Bildern hätten bessere Vorlagen — mitunter nur
bessere Abzüge der gleichen Aufnahmen — zu günsti-
geren Ergebnissen geführt (etwa 78, 82, 100, 103).
Durch ungeschickte Abdeckung des Hintergrundes
haben gelitten: 31, 90b, 124b. Zweimal hätte man
Aufnahmen nach Originalen statt nach Abgüssen
lieber gesehen (33, 60).
Die Kunstliteratur

Panofskys Textband—noch von einigen illustrie-
renden Bildtafeln durchsetzt — gliedert sich scharf in
eine auf Erörterung allgemeinster Stilprobleme ein-
gestellte Einleitung, und in Anmerkungen, die die
historischen Tatsachen vermitteln und zu besonderen
Einzelfragen Stellung nehmen. Beide Teile sind in
gleicher Weise wesentlich. Die schwer lesbare, mit
den Tafeln sich nur locker verknüpfende Einleitung
wird gewiß nicht jedermanns Sache sein. Wahre
Ungeheuer von Sätzen, immer wieder durchsetzt von
langen Parenthesen, in ihrem Sinn überlastet mit
Einschränkungen, Neben- und Zwischengedanken,
ziehen sich oft über nicht weniger als halbe Seiten
des Buches. Hier — freilich nicht in den Anmer-
kungen, wo sie wenig am Platze sind — wird man
solche Sätze als Ausdruck eines Denkens hinzunehmen
geneigt sein, das wirklich um das Tiefste der Probleme
ringt, und wie dem Leser, so auch sich selbst keine
Mühen zu sparen sucht. Es ist das ungewöhnliche Ver-
dienst dieser Darlegungen Panofskys, daß sie das be-
handelte kunstgeschichtliche Spezialgebiet auf die
große Linie der Gesamtentwicklung abendländischer
Kunstgeschichte gestellt haben. Panofsky hat wirklich
eine Anschauung von dieser Gesamtentwicklung. Er
sieht die entscheidende Tatsache, daß jede stilistische
Entwicklung „eine Wandlung der dem bildkünstle-
rischen und architektonischen Schaffen zugrunde-
liegenden Raumvorstellung“bedeutet,er sieht,daß
jede Einzelwandlung im Tiefsten nur ein notwendiger
Schritt der Gesamtentwicklung ist, notwendig, weil
alle folgenden Schritte die vorangegangenen Verände-
rungen und Problemlösungen voraussetzen. Er sieht,
was die Neuzeit der mittelalterlichen Entwicklung-
gegenüber der ihr scheinbar um so vieles näheren
Spätantike verdankt, nämlich daß es ihr „gelungen ist,
die materiellen Einzeldinge mit dem Freiraum in jene
gesetzliche und notwendige Übereinstimmung zu
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