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Kunstliteratur: Periodica — 1925/​1926

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Heft 11 (Februar 1926)
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DIE KUNSTLITERATUR
BEILAGE ZUR ZEITSCHRIFT FÜR BILDENDE KUNST
Heft Ti Februar 1926

A. von Lecoq, Bilderatlas zur Kunst- und Kul-
turgeschichte Mittelasiens. Berlin 1925,
Dietrich Reimer (E. Vohsen) A.-G. Kl.-2°.
36 Seiten Text und 81 Seiten Abbildungen.
Durch die Forschungsarbeit von zwei Deutschen,
einem Engländer und einem Franzosen ist seit nun-
mehr 23 Jahren aus den verlassenen, unter Sanddünen
begrabenen Ruinen Ostturkestans eine ganze Welt
neu ans Licht getreten, die bis dahin völlig unbekannt
war. Geahnt und theoretisch gefordert war sie frei-
lich schon von A. Grünwedel, der dann im Jahre 1902
die Möglichkeit erhielt, an Ort und Stelle mit der
Erforschung zu beginnen. Während Grünwedel und
später Lecoq sich den Oasen am Nordrande des Tarim-
beckens zuwandten, traten M.A. Stein und P. Pelliot
mit der Durchsuchung der südlichen und östlichen
Oasen ergänzend hinzu. Alle diese zum Teil mit größ-
ten körperlichen Anstrengungen verbundenen Arbei-
ten ergaben ein überaus reiches Material für die
Kultur- und Kunstgeschichte des Landes, das mit
der Zeit der ersten chinesischen Eroberung unter den
Han-Kaisern des 2. Jahrhunderts v. Chr. beginnt und
bis weit ins Mittelalter hineinreicht. Es ist inzwischen
zum guten Teile und jedenfalls so weit von den ge-
nannten Gelehrten in zum Teil glänzenden Veröffent-
lichungen bekannt gemacht worden, daß der Zeit-
punkt gekommen erscheint, es auch für die allgemeine
Kultur- und Kunstgeschichte nutzbar zu machen.
Damit ist in diesem Buche ein verheißungsvoller
Anfang gemacht worden, der zwar in der Flauptsache
als Anregung genommen werden will, aber nun auch
wirklich einem weiten Leserkreise nachdrücklich vor
Augen führen wird, von welch außerordentlicher Be-
deutung für die Universalgeschichte die wieder er-
schlossene Kultur dieses Landes ist. Ihre Bedeutung
liegt darin, daß sie von jeher die Brücke zwischen
Europa und Vorderasien einerseits und Ostasien
andererseits gebildet und so einen wechselseitigen
Austausch von Kulturgütern mannigfacher Art ver-
mittelt hat. In einer zwar knappen, aber um so ge-
haltreicheren Einleitung hat der Verfasser die Ge-
schichte dieser Beziehungen in ihren Grundlinien so
klar und auch wohl treffend umrissen, daß ich nichts
Besseres zu tun weiß, als ihn selber sprechen zu lassen.
„Schon im grauesten Altertum bestanden Handels-
beziehungen, die mancherlei Austauschmöglichkeiten
gewährten und die u. a. durch das im Dunkel der
vorchristlichen Jahrhunderte undeutlich wahrnehm-
bare Vordringen europäischer und iranischer (,sky thi-
scher‘) Völker (Tocharer und Saken) durch Mittel-
asien nach China gefördert sein dürften. Einige dieser
o ö

Völkerschaften haben augenscheinlich früher in Süd-
rußland gewohnt. China hat also wahrscheinlich schon
zur Zeit der klassischen Antike mit Europa in Be-
ziehungen gestanden. Wir sehen, wie Griechenland
auf der breiten Grundlage der ägyptischen, mesopo-
tamischen und rainoischen Kulturen schnell jene
unvergleichliche Kunst und Kultur aufbaut, deren
Wichtigkeit für die Kulturentwicklung der europäi-
schen Völker allgemein anerkannt ist. Bei ihrem Ab-
blühen erfolgt ein mächtiger Vorstoß nach Osten,
durch den Alexanderzug und die lange Herrschaft
griechischer Fürsten in Ostpersien und in den nord-
westlichen Landschaften Indiens werden hellenistische
Kunst und Kultur in diese Gegenden verpflanzt, um
dort auf Jahrhunderte eine Heimat zu finden. Wir
müssen Ostiran, alle indischen Länder westlich des
Indus, das Pandschäb und andere Gebiete Nordwest-
indiens als hellenistisches Land betrachten. Von
Nordwestindien aus erfolgt dann auf zwei Wegen,
über Kaschmir und über Afghanis tan, jene ungeheuere
Bewegung nach Türkistan, China und Korea bis
Japan und durch die indische Halbinsel nach Java
und Hinterindien, die mit Recht als ,Siegeszug des
Buddhismus“ bezeichnet wird. Diese Bewegungbrach le
den Süd- und Ostasiaten nicht nur den Formenschatz
der griechischen Mythologie und besonders den dar-
aus abgeleiteten Typus des Buddha, sondern auch
ihnen bis dahin unbekannte Techniken“ usw.
„Die Völker Ostturkestans, bis zur Mitte des 8. Jahr-
hunderts ausschließlich Inder, Iranier und,Tocharer“
europäischer Herkunft, wurden durch den Buddhis-
mus ... mit der ausgehenden Antike bekannt, welche
ihnen ihre religiöse Kunst schuf und die vervoll-
kommnete Technik der Westländer überbrachte.
Diese Kunst übermittelten sie mit der Religion des
Buddha den Chinesen, und dem merkwürdigen und
begabten Volke gelang es, auf dieser Grundlage die
buddhistische Kunst Ostasiens zu entwickeln. Obwohl
die Kunst Ostasiens also ohne den iranisch und indisch
abgewandelten hellenistischen Einschlag nicht hätte
entstehen können, haben die Chinesen das empfangene
Gut so umgestaltet, daß der westliche Ursprung der
Typen nicht ohne weiteres zu erkennen ist.“ „In der
Hauptsache war im äußersten Osten demnach die
Richtung der Wanderung der Kulturentwicklung die
von Westen nach Osten. Ein Wechsel trat ein beim
Auftreten der uigurischen Türken“, die „schon im
8. Jahrhundert den Osten Chinesisch-Turkestans er-
obert haben“ usw.
Die Mannigfaltigkeit dieses Wanderns und Sich-
wandelns westlicher und östlicher Kulturgüter wird

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