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Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner u. Sammler — 15.1918

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XV. Jahrgang (1917 / 1918)
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Nr. 26 (12. April 1918)
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https://doi.org/10.11588/diglit.54654#0179
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DER KUNSTMARKT
XV. Jahrgang 1917/1918 Nr. 26. 12. April 1918
Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 10 Mark.
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Auktionskalender auf der vierten Umschlagseite

MISSSTÄNDE AUF DEM KUNSTMARKT

Es wird in letzter Zeit viel geredet und geschrieben
über Dinge, die im Kunsthandel faul sein sollen, und
besonders Eifrige schreien nach dem Gesetzgeber und
der Polizei. Prüft man die allgemeine Lage und alle
bekannt gewordenen einzelnen Vorkommnisse ruhig
und unparteiisch, so hat man den Eindruck, als wenn
mancherlei durch Vorschrift und bessere Sitte ver-
änderungsbedürftig ist — in der Hauptsache Dinge, die
es schon vor dem Kriege waren; daß aber im allge-
meinen die Vorstellungen falsch, die Beschwerden über-
trieben, die beabsichtigten Heilmittel zwecklos sind.
Daß ein generelles Verbot der Kunstausfuhr uns
nichts nützen, wohl aber viel schaden kann, hat an
dieser Stelle schon W. v. Bode erklärt. Seine Autorität,
die das volle Vertrauen des Ministers besitzt, scheint jetzt
auch den preußischen Landtag, der ein solches Gesetz
stürmisch forderte, überzeugt zu haben. Es macht
doch einen sonderbaren Eindruck, wenn darüber ge-
zetert wird, daß man in Deutschland weit höhere Preise
zahle als das feindliche Ausland für gleichartige Bilder,
und mit demselben Atem von der Gier der Ausländer,
bei uns zu kaufen, spricht. Was übrigens die erste Be-
hauptung anlangt, so ist sie keineswegs erwiesen; für
ein Bildnis des Roger van tder Weyden hat man
z. B. während des Krieges in New-York eine Million
Franken bezahlt. Und die Beteiligung des Aus-
landes ist heute gewiß nicht stärker, als sie im Frieden
bei Auktionen von gleicher Bedeutung gewesen ist;
eher schwächer.
Eine andere vage Behauptung, die hundertfältig
gedankenlos nachgesprochen wird, ist die: daß Kunst-
werke zur Verschleierung von Kriegsgewinnen gekauft
werden. Jeder, der über solche Dinge spricht oder
gar schreibt, sollte doch wissen, daß das Geld, welches
für den Ankauf von Kunstwerken angelegt wird
(mit der geringfügigen und nicht ins Gewicht fallenden
Ausnahme zugunsten lebender Künstler) gleichsam
wie bares Geld zu versteuern ist; daß es also niemals
zu einer Versteckung von Gewinnen führen kann,
wenn man sich dafür Kunstwerke kauft. Wer trotz-
dem bei seiner Kriegssteuererklärung einer Gesetzes-
übertretung fähig ist, von dem ist wohl zu vermuten,
daß er sich zu seinen Machenschaften andere Objekte
aussuchen wird, als solche, die er vor den Augen der
ganzen Welt zu einem überall genannten Preise er-
wirbt. Mit diesem demagogischen Geschwätz von der
Versteckung der Kriegsgewinne durch Ankauf von
Kunstwerken sollte doch endlich einmal aufgeräumt
werden. Viel tiefer und einen der Kerne treffend, hat
auch hier wiederum W. v. Bode in unserer Zeitschrift

das Problem erfaßt: es hat sich der Leute, die spielend
ihr Geld gewonnen haben, eine gewisse Spielsucht
und Vergeudungswut bemächtigt; und das Mitbieten
bei einer Auktion hat etwas vom Spiel an sich.
Übrigens ist noch nicht jeder Preis »wahnsinnig«,
von dem es im Augenblick so zu heißen pflegt; und
daß es »so nicht mehr weiter gehen kann«, ist eine
ewige Melodie, der einst Gehör gegeben zu haben,
mancher Sammler heute bedauert. Ein preistreibendes
Übel für die Sammler liegt wo anders: im Ketten-
handel, der auch auf dem Kunstmarkt sehr viel mehr
als nötig blüht.
Nun kommen wir zu den angeblichen »Schie-
bungen« bei Auktionen. Nach unserer Erfahrung
kann man im allgemeinen sagen: je größer die Auktion,
desto ehrlicher ist der ganze Auktionsvorgang. Die
faulsten Dinge pflegen sich auf Winkelauktionen ab-
zuspielen. Wer vor einem Parterre von erfahrenen
Kennern und Konkurrenten zu handeln hat, ist schon
instinktiv unter Kontrolle gestellt.
Schlimm jedoch ist eine Erscheinung, die aber
nicht erst unter dem Einfluß des Krieges entstanden
oder entwickelt worden ist: nämlich die Rückkäufe
zu vorher verabredeten hohen Preisen und die Vermei-
dung dieser Preise als erzieltes Auktions-Ergebnis. Hier
sollte die Regierung eingreifen. Wenn es gelingen
würde, diesen Mißbrauch durch scharfe gesetzliche
Vorschriften abzuschaffen, so wäre damit der öffent-
lichen Kunstpflege ein erheblicher Dienst geleistet.
Die soliden Firmen des Kunsthandels würden sicher-
lich dabei gern hilfreiche Hand bieten.
Bei der preußischen Regierung und, wie wir wissen,
in deren Gefolge bei den Regierungen anderer Bundes-
staaten werden zurzeit Maßnahmen erwogen, die
diesem Ziele gelten. Die preußische Regierung scheint
darauf zukommen zu wollen, daß sie in weiterem
Ausbau einer schon existierenden alten Verordnung
den Firmen, die Kunstauktionen veranstalten, verbieten
will, mit Kunst zu handeln. Es soll das Auktionswesen
konzessionierten Auktionshäusern vorbehalten bleiben,
und der Auktionator darf an keinem Stücke des ver-
steigerten Kunstgutes irgendwie materiell interessiert
sein.
Uns scheint dies ein Versuch mit untauglichem
Mittel. Es ist nicht nötig, vor ur sereni. Leserkreise
auseinanderzusetzen, wie es bei jeder Auktion, gleich-
viel ob sie bei einem Kunsthändler stattfindet oder
bei einem an der Sache völlig uninteressierten Auk-
tionator, dem Besitzer des Versteigerungsgutes odereiner
 
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