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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

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1/2. Juniheft
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Bülow, Joachim von: Kunst und Baumarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0447
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erst auseinandergesetzt zu werden. Alle anderen Ver-
suche, durch Vereinsbildung oder dergleichen, die Kunst
selber in weitere Kreise zu bringen, sind noch zu jung,
um in ilirem Erfolge beurteilt zu werden. Wesentlichen
Nutzen werden sie der allerdings viel zu großen Zahl
bildender Künstler nicht bringen.

Der einzige Weg, auf dem unserer Malerei noch ge-
holfen werden kann, ist neben dem radikalen Verhun-
gern, den Ueberflüssigen, die sich in keinen anderen
Beruf einfügen können oder wollen, die Verbindung mit
dem Baumarkt. Eine solche Verbindung muß, weil sie
sowohl in künstlerischer Beziehung wie auch mit Rück-
sicht auf den tatsächlich steigerungsfähigen Bedarf an
malerischen Erzeugnissen die einzig vernunftgemäße ist,
von allen denen gefördert werden, die ihr Interesse an
der Kunst nicht nur auf dem Papier oder durch gelegent-
lichen Besuch einer Kunstausstellung betätigen wollen.

Zwei Voraussetzungen für diese Kunsthilfe sind
nötig. Die eine ist die Bereitschaft der Künstler zur An-
passung an die Forderungen des Baumarktes. Dieser
stellt deren zwei auf. Rücksicht auf den Geschmack des
Publikums, und auf dessen Zahlungsfähigkeit. Die erste
Forderung ist natürlich die am Schwersten erfüllbare.
Die breite Masse will Kitsch, und selbst wenn wir Kitsch
machen wollten gegen unsere ehrliche Ueberzeugung,
so werden wir erleben, daß Kitsch herzustellen fast eine
noch größere Kunstfertigkeit ist, als anständig und ehr-
lich Werke des guten Geschmacks zu schaffen. Ich
meinerseits habe immer die Leute ehrlich beneidet, die
Kitsch machen konnten. Es gehört dazu eine ganze
Menge positiven Könnens und eine geistige Blindheit, die
zu besitzen ein ebenso großes Glück sein kann, wie
Taubheit bei einer schlechten Musikaufführung.

Wir wollen aber einmal annehmen, daß sich gute
Künstler dem Kitschbedürfnis der Auftraggeber und um-
gekehrt Auftraggeber dem guten Kunstwillen des Malers
in ausreichender Menge anzupassen bereit sind. Dann
fehlt zum Erreichen des Zieles noch die so wesentliche
Ausgleichung der wirtschaftlichen Frage. Hier stehen
wir Maler vor einer Macht, die wir auch nicht überwin-
den, der wir uns aber wohl anpassen können. Bei jedem
großen Bau ist die Möglichkeit da, malerischen Schmuck
zu geben, auch spielen einige tausend Mark hierfür gar
keine Rolle. Daß sie in der Regel nicht hergegeben wer-
den, ist lediglich Schuld der Künstler.

Es ist uns im Allgemeinen vollkommen das Gefühl
dafür verloren gegangen, daß wir nicht nur Luxusware
herstellen dürfen, daß wir auch dem täglichen Bedürfnis
der Menge Rechnung tragen sollen, daß uns das, was
jeder Handwerker ganz selbstverständlich tut, seine
Preise den Möglichkeiten seiner Kunden anzupassen,
auch tun müssen, wollen wir Kunden haben, halten und
gewinnen.

Der einzige für den Maler noch in Betracht kom-
mende Kunde ist der Bauherr. Er geht heute zum Deko-
rationsmaler und sagt ihm, welchen Wandschmuck er

braucht. Der Dekorationsmaler berechnet ihn den nach
Ouadratmetern, oline Rücksicht auf die auch von ihm
einmal ausnahmsweise aufzubringende künstlerische
Oualität der Leistung, und gleicht die für solche Leistung
höheren Stundenlöhne seiner Gesellen dadurch aus, daß
er den glatten Anstrich teuerer berechnet. Es kann bei
großen Aufträgen dann durchaus möglich sein, daß fiir
den Ouadratmeter einer mit malerischen Motiven zu be-
deckenden Fläche Beträge von 20,— und 30,— Mark
herauskommen, die, wenn sie einem sogenannten Künst-
ler geboten werden, von diesem empört zurückgewiesen
werden dürften.

Hierin aber liegt der Fehler und die falsche Rech-
nung. Bietet man mir für einen Quadratmeter Staffelei-
bild 20,— oder 30,— Mark, so ist das natürlich eine glatte
Verhöhnung. Bietet man mir aber an, einen Saal aus-
zumalen, in dem 100 Quadratmeter mit dekorativen Bil-
dern zu füllen sind, und zahlt man mir für den Quadrat-
meter 20,— bis 30,— Mark, so sieht die Rechnung ganz
anders aus. Selbst wenn ich für eine solche Arbeit drei
Monate brauchen sollte, so würde ich damit in einem
Vierteljahr so viel verdienen, wie zweifellos der Durch-
schnittsbürger zum bescheidenen Leben heut in einem
Jahr braucht. Weise ich einen solchen Auftrag mit
Rücksicht auf die fPchemrnßige Entsch 'digung, d'e m i "
niedrig scheint, aber am Geldbeutel des Auftraggebers
gemessen, hoch sein kann, zurück, und male ich statt
dessen in diesen drei Monaten auch nur ein unvcrk' uf-
liches Staffeleibild, so habe ich nicht nur nichts ve rdient
sondern auch noch Mühe und Spesen auf eine unverk 'uf
liche Leistung zu verrechnen. Seltst wenn in der ob.m
aufgemachten Rechnung sich der Preis des QuaPat-
meters auch nur auf 5 — Mark stUlt habe ich bm d'"*
Annahme desselben einen reinen Verdienst von 500
Mark, auf den zu verzichten die g’xßte To"h"'t ' '
besonders noch unter dem Gesicht"punkt da^ j°:
Arbeit, die wir aus unserem Ateke" h'vausbUngm r -
einer größeren Menge vor Augm f"hr. n i-.g' nd e'm 1
wann und wie, Frucht Dagen wlrd di? weit übc
hinausgeht, was wir im ersten Augenblick zu wen'g da
für erhielten.

Entschließen wir uns zn di mr V t d ' "e andlun."
malerischer Auftr "ge, so gehen wir zu der historischen
Ouelle unserer Malkunst zurück. Sie kam aus dem
Handwerk. Unsere großen deutschen Maler des Mittel-
alters waren durchaus Anstreicher, blieben es solange
im Nebenberuf, bis ihre Werke, mit denen sie über das
Handwerk hinauswuchsen, ausreichend bezahlt wurden,
ja auch dann noch, indem sie als Unternehmer, mit von
ihnen bezahlten Kräften, Schülern und Gesellen arbeite-
ten. Darum fiuden wir sclion in der antiken und ebenso
unserer heimischen Baukunst bis in die Anfänge des vori-
gen Jahrhunderts hinein so hochwertige dekorative
Malerei. Erst seitdem das verloren gegangen ist, war
es möglich, daß die Wandmalerei den 1 iefstand er-
reichte, der heute in unseren öffentlichen Gebäuden der
Schrecken des Kunstfreundes ist, und zugleich der Ge-
schmacksverderb der breiten Masse.

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