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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

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Heft 10
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Sprechsaal
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Aus der Bücherei
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https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0139
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rungenen dramatischen Norm auf bequemere Weise
Lorbeeren zu pflücken; oder geschieht es doch, dann
muß ihm daran liegen, aufzudecken, in wie weit
dieser Erfolg ein rein künstlerischer ist oder nicht.
Ich möchte den Austausch nicht gern auf das per-
sönliche Gebiet hinüberspielen, aber fragen darf ich
doch, ob bserrig selbst glaubt, daß sein Luther als
„Runstwerk" auch ohne die Lutherfeier und die pro-
testantische Lrhebung gegen den Ultramontanismus
so gewürdigt und so oft aufgeführt worden wäre,
wie jetzt? Gewiß nicht! Und doch hat er Dramen
geschrieben, die ich, wie ihm bekannt ist, gebührend
schätze, und denen die gleiche Schicksalsgunst nicht ge-
worden ist. Also! Ich freue mich der Lrfolge der
beiden tuther von worms und Iena von ganzem
^erzen, aber ich bestreite, daß diese Lrfolge zunächst
und rein künstlerische sind. Das raubt ihnen von
ihrem U?ert im Übrigen Nichts — aber ich habe
in meinem Aufsatz oon keinem anderen Standpunkt
aus, als von dem künstlerischen, sprechen wollen.
Heißt ^ atzer Gefahren überschätzen, wenn ich
auf meinem Schreibtisch schon fetzt nicht weniger als

fünf bsutten-Festspiele lj^^ sehe? Gesetzt einmal,

diese werden sämtlich aufgeführt und begeben sich
sodann wie Lserrigs Luther oder der Devrientsche auf
die wanderschaft; gesetzt also, in jeder größeren

Aus der

Der Dolzsebnltt der Gegenwart in Luropa und
Oordainerika. tllit 2^ Tafeln und 25H Tert-Illustratianen.
j IVien, Gesellschaft für vervielfältigende Runst. — Der erste
Band des auch im „Runstrvart" bereits angekündigten, groß-
artig angelegten Werks „Die vervielfältigende Runst der
Gegenwart", der freilich, während des Lrscheinens durch fort-
währende Stoffbereicherung angefchwollen, nun eine Ausdeh-
nung erlangt hat, wie sie iin Anfang für das ganze IVerk
I vorgefehen war. Nach einern einleitenden „ Geschichtlichen
Rückblick" über die rexroduzierenden Rünste überhaupt von T.
v. Lützow, dem Leiter des ganzen Unternehmens, und einem
Auffatz „Allgemeines über den bfolzschnitt" von !V. khecht,
folgen Abhandlungen über die Lntwicklung und den gegen-
wärtigen Zustand dieser Technik in Deutfchland, Gesterreich-
Ungarn, Frankreich, England, Nordamerika, Belgien, kfolland,
Italien, Spanien, Rnßland, der Schweiz, Dänemark, Schweden
und Norwegen von Lfecht, Lützow, Bouchot, Alinkicht, Aoehler,
bfymans, Taurel, Scheu, Madrazo, bfaßelblatt, Brun, Sigurd
INüller und Dietrichson. So hat jedes Gebiet ein in beson-
derem Ulaße eben hier bewanderter Fachmann behandelt,
„welcher sowohl die Technik und die 5tilgesetze der von ihm
bearbeiteten Runstart genau kennt, als auch von den lokalen
Verschiedenheiten der Länder und Lchulen eine klare und un-
befangene vorstellung mitbringt." Suchte die Leitung auf
diese IVeise der 5childernng ihren ,,objektiven geschichtlichen
Lharakter" zu wahren, fo ging sie doch glücklicherweise nicht
so weit, die ästhetische IVürdigung ausschließen zu wollen, und
fo gab sie dem werk nicht nur eine rückschauende Bedeutung,
sondern auch eine wegweisende für die Zukunft. Daß die
einzelnen Abteilungen nicht ganz gleichmäßig behandelt, daß
der Bilderschmuck unter dem Linfluß dessen, was der Ivieder-
gabe zur verfügung stand, dort eine reichere, hier eine knappere
Auswahl von Beifpielen darbot, ist selbstverständlich und war
nicht nur durch die Zusammenarbeit vieler Männer, sondern
auch durch das Lrscheinen der jdublikation in Lieferungen be-

Stadt wendete die Bevölkerung sechs bis acht Wochen
an die Linübung dieser neuen gar nicht talentlosen,
aber ganz undramatischen Spiele, welche überall, mit
schönen L-chlagwörtern versehen, die sich vielleicht ganz
von selbst aus der Sache ergeben, den zeitgemäßen
Lnthusiasmus entfesseln — würde das nicht schon
von der Bühne mehr als gut und nötig ablenken
und wiederum zur Nachahmung reizen? Das ist
nur ein einzelnes Beispiel, aber es enthält schon eine
hinlängliche Negenmenge, um einmal eine Äntflut
fürchten zu lassen. Zch betone nochmals, daß die
Angelegenheit noch nicht vollkommen spruchreif ist,
aber von meinen Bedenken lasse ich um so weuiger
ab, je sympathischer mir der Gedanke der volksschau-
spiele aus erziehlichen Gründen ist. Verhüten möchte
ich nur, daß Alles, was sie von diesem Gesichispunkt
aus empfiehlt, aus einer begreiflichen verwechslung
der Runst auf Nechnung geschrieben wird, die mit
ihrer wirkung Nichts oder sehr wenig zu thun zu
haben braucht. Diese Nlöglichkeit wird Herrig nicht
bestreiten wollen. Im Übrigen weiß er, was ich von
dem Nepertoire der „Luxustheater" halte, aber ein
wesentlicher Unterschied zwischen uns besteht wohl
darin, daß ich des Rampfes für die Grhebung und
Läuterung der ständigen Bühne noch nicht müde ge-
worden bin, wie er. Heinrich Bulthaupt.

Sücberei.

dingt. Eine zweite Auflage wird manches nachholen können,
was schon bei der ersten zu geben, wohl schlechterdings un-
möglich war: im Allgemeinen staunt man darüber, daß zum
Unmöglichen nicht mehr gehörte. Die veranstalter und
Verausgeber dürfen mit Genugthuung auf ihre Arbeit blicken:
sie gaben unserer Litteratur ein IVerk, das nicht nur belehren und
erfreuen, das auch fegensreich auf das Echasfen der behandelten
Aunst einwirken wird. Möge die Teilnahme des deutschen
volks die Unternehmer belohnen und für ihre lveiterarbeit
am Gesamtwerk mit dem stolzen Bewußtsein erfüllen, daß
nicht nur der ,,Fachmann", daß das ganze kunstsinnige Deutsch-
land ihnen danktl

Kriekwccbsel zwiscben Mlagncr und Liszt. von

bis t86;. Zwei Bände. Leipzig, Breitkopf 6c khärtel.
— Man hat die vorliegende, höchst bedeutsame Eammlung dem
Briefwechsel zwischen Goethe und Echiller an die 5eite ge-
stellt: unseres Erachtens mit entschiedenem Unglück, denn jede
tiefere Ähnlichkeit fehlt. lVährend im Gedankenaustausch der
beiden Gewaltigen dort das Ergründen von Echaffensgesetzen, das
stäte vertiefen ihres verständnisses und das Ivachsen der
künstlerischen Araft an der theoretischen Linsicht sich vor
unserem Auge entwickelt, treten uns hier zwei seltene Männer
entgegen, die sich als Fertige fühlen, im Bewußtsein ihrer
Übereinstimmung Zahlreiches der Eine beiin Andern vorans-
setzen und ihr Sinnen und Trachten vor Allem darauf richten,
das bereits Geschaffene zur IVirkung zu bringen. Schon
das ergiebt, daß hier in weit höherem Grade als dort die
s) e rs ö nl ich k e it en in den vordergrund treten müssen. Und
sie sind es in der That, die uns vor Allem fesseln. IVie eine
mächtige realistische Dichtung liest sich dieser Briefwechsel, wie
eine Dichtung, die alle Fäden im Eeelengewebe vor uns aus-
deckt, überall ursprünglich und ohne jede bferkömmlichkeit, über-
all charakteristisch. Und ihr Inhalt? Der Uamxf eines
wahrhast Lebendigen gegen eine lvelt, die nur vegetiert, und
in Folge der wahrhaft übermenfchlichen Zähigkeit und That-


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