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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

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Heft 7 (1. Januarheft 1900)
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Rundschau
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Unsre Noten und Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0303
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Ränderuug auf nur einer Seite als
Körper stilisiert. Der Postkarten-
aufdruck mit Schrift und Linien lätzt
sich durch diese Kunstleistung nicht
stören, er läuft ruhig durch Strahlen,
Wolken und Lorbeerzweige seines Wegs
weiter. Jch will dem Buchbinder in
Klein-Pyritz nichts Uebles nachsagen,
aber ich halte es ja für möglich, er
liefert der dortigen „Melpomene" die
Stistungsfest-Menukarten auch nicht
besser- Datz aber eine Jahrhundert-
karte der deutschen Reichspost so zu-
sammengeschustert werden kann, dah
man solch ein Blatt statt bei einem
unsrer besten Künstler im Laden um
die nächste Ecke bestellt, das ist sür
unsre Kultur in künstlerischen Dingen
zum Erschrecken bezeichnend.

Verrnischtes.

* Wie's gemacht wird.

Eine grotze Berliner Kunsthandlung

erhielt kürzlich das folgende Schreiben,
das uns im Originale vorliegt:
(Briefkopf, Datum, Adressatenfirma.)

„Das ganze Jahr über machen wir
für Sie durch Besprechung Jhrer
Ausstellungen Reklame, die uns
schweres Geld kostet. Uns dafür hin
und wieder durch Jnserate zu ent-
schädigen, das süllt Jhnen aber nicht
ein. So geht es auch mit dem bei-
solgenden Jnserate, das bei uns nicht
zu sinden ist. Hand wird aber nur
von Hand gewaschen und wenn Sie
uns nicht berücksichtigen, dann stellen
wir ebsn die Referate über Jhre Aus-
stellungen auch ein.

Hochachtungsooll

Staatsbürger-Zeitung.

(?) Bugern."

Die „Staatsbürger-Zeitung" istkaum
schlimmer als viele ihrer „geschätzten
Kolleginnen". Aber das muß wahr
sein: an schöner Ofsenheit ist sie
wohl ihnen allen über.

Nnsre Ooten und DLlder.

Auch unsere Notenbeilage sollte an dieser Zeitwende besonders
bedeutungsvoll sein. Unsre Wahl ist schlietzlich auf den z. Satz von Robert
Schumanns L-äur-Phantasie gefallen. Die e-äur-Phantasie darf vielleicht
als das beste Werk bezeichnet werden, das Schumann überhaupt gcschrieben
hat, es ist der ganze junge Schumann darin, dis Hoffnung der neudeutschen
Musik; echt und srei in allem, gleich tief im Poetischen wie im Musikalischen.
Die Widmung an Franz Liszt sagt schon, was Schumann in diesem Werke
gewollt hat. Leider sind die beiden ersten Sütze so ungemein schwierig, datz
die Musikfreunde auch den letzten „spielbaren" Satz viel zu wenig kennen. Und
doch vermag er sehr wohl für sich allein zu bestehen. Nach den Stürmen und
Kämpfen der ersten beiden Sätze gibt er eine Art Apotheose, aber keine vom
Theater, sondern einen der schönsten Epiloge, die je gedichtet worden sind.
Wenn man einmal dem Gedanken bei sich Raum gegönnt hat, wird man sich
schwer davon trennen können, datz die ganze Phantasie „Schumann" heitzen
mützte, datz der Komponist seinen ganzen Künstlerweg vor sich gesehen, in die
ersten beiden Sätze neben dem Vild seiner jugendlich leidenschastlichen Phan-
tasie all seine Hossnungen hineingedichtet, dann die trüben Jahre, die Zeiten
ües Niedergangs übergangen hat — große Pause vor dem 3. Satz! — und
nun schlietzlich mit einem „Trotzdem" seine Unsterblichkeit in stillen Tönen singt,
die von Resignation leise durchklungen sind. Es gibt ganz wenig Klavierstücke,
die so viel grotze Feierlichkeit atmen, wie dieser Satz. Glockentöne, die unter
einem weiten Nachthimmel durch die Lüste ziehcn, nehmen die Phantasie im Lande
mit sich, die keine Zeit haben. Und jeder, der diese Musik künstlerisch genietzt,

t- Ianuarbeft ^900
 
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