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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

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Heft 7 (1. Januarheft 1900)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0302

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gesetz z- B. trügt in weitem Matze
den Gedanken Rechnung, die der Kunst-
wart schon seit einem Jahrzehnt ver-
trcten hat. So erkennt es an, „daß
die bestehenden Polizeiordnungen
namentlich hinsichtlich ihrer hohen und
sehr ins Einzelne gehenden sicherheits-
und seuerpolizeilichen Anforderungen
vielfach als eine lästige Schablone
einpfunden werden, die die Errichtung
billiger und zweckmäßiger,individuellen
Geschrnack und Behagen berücksichtigen-
der Häuser zu landwirtschaftlichen
Zwecken und zur eigenen Wohnung
des Besitzers, sowie die Pflege und
Förderung eines volkstümlichen Bau-
slils hindern." Die alte Unterscheidung
von Stadt und Land serner wird fallen
gelassen. „Der Gesetzentwurf geht des-
halb von dem Grundsatze aus, der
Ortsgesetzgebung den weitesten Spiel-
raumeinzuräumen. FürgrößereStüdte
und sladtähnliche Dörfer soll das Ge-
setz nicht nur eine Ermächtigung, son-
dern geradezu einen Antrieü geben,
ihre baulichen Verhältnisse namentlich
auch hinsichtlich der Bauweise, so-
wie der Baustoffe nach den beson-
deren örtlichen Voraussetzungen und
Bedürfnissen zu regeln." Neue Be-
stimmungen erleichtern in weit höherem
GradeeinJndividualisierenund schützen
geradezu die altheimische ländlicheBau-
weise, die durch das frühere Baugesetz
schwer bedrängt wurde. Die materielle
Bausreiheit wird in viel höherem Grade
gewährleistet. „Allerdings muß hier
ein wesentlicher Unterschied gemacht
werden, ob jemand zu eigenem Ge-
brauch bauen oder ein Miethaus, ins-
besondere ein Massenmiethaus errichten
will. Demjenigen, der ein Haus sür
sich selbst baut, kann man fast volle
Freiheit gewähren, bemerkte treffend
Geh. Baurat Stübben in Köln, die
eigene Fürsorge wird in der Regel er-
sprießlicher sein, als alle polizeiliche
Bevormundung." Es ist hohe Zeit,
daß solche Grundsätze sich durchsetzen,
aber wir hoffen, noch ist es Zeit.

Runstwart

Gegenwärtig haben wir hier eine
volkstümliche Ausstellung für
Haus und Herd. Für uns sind dabei
von Wert die Bemühungen, guteMöbel
sür billigen Preis herzustellen. Wirk-
liche Künstler haben sich daran mit
gutem Erfolge beteiligt, mit dem besten
diejenigen der „Dresdner Werkstätten
für Handwerkskunst". Auch was von
alter Bauernkunst ausgestellt wurde,
war lehrreich genug, aber was man von
Möbelbcmalung im Anschluß an diese
Vauernkunst zeigte, erwies ein Miß-
verstündnis. DasPrinzip solcher volks-
tümlichen Dekoration verlangt Leichtig-
keit der Pinselführung, Keckheit der
Farben, Leben, Beweglichkeit, Munter-
keit — der gute Geist behüte uns vor
dem Jrrtum, hier mit ängstelnder Kor-
rektheit „verfeinern" zu können. Dann
lieber keine Bemalung, sondern„nur"
gute Verhältnisse und schöne Tönung.
Wir hätten dieser Dresdner Ausstel-
lung eine strenge Jury gewünscht (es
war gar keine da), aber auch so, wie
sie war, bot sie dem Volk die Mög-
lichkeit zu vergleichen und süte dadurch
ganz sicherlich Gutes aus. Der ganz
erstaunliche Zuspruch der Besucher er-
mutigt hoffentlich andere Städte zu
gleichen Ausstellungen — ist doch die
hiesigs, was keiner erwartete, sogar ein
glänzendes „Geschäst" geworden.

* Als wir von der Jahrhundert-
Postkarte das ersts Mal hörten
srcuten wir uns; das ist gut, daß die
Postverwaltung solche Gelegenheiten
benutzt, etwas Schönes unters Volk
zu bringen. Nun liegt cs vor uns,
dieses „Schöne". Rechts, um die ver-
unglückte neue Marke herum mittel-
mäßig ausgeführt das übliche Lorbeer-
gerank und Bandgeschlenker. Links
aber vor einer ganz elend schlecht ge-
machten Sonne schülerhaft kleinlich
hingestümperte Wolken und dann ein
^900, bei dem man unwillkürlich an
die goldne denkt. Sogar der
größest mögliche stilistische Unsinn ist
nicht vermieden: die Ziffern sind durch

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