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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

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Heft 9 (1. Februarheft 1900)
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0366

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schädigten Händler. Hat ein Angeld gegeben und ist jetzt keine Deckung dafür
vorhanden. Dann bedauerten sie auch voll christlicher Teilnahme den Adam.
„Kriegen wir denn gar nichts?", ruft die Hausmutter.

Die Herrn zucken ihre Achseln.

„Das ist ja zum Verzweifeln", schreit sie.

„Sagst denn du nichts?", ruft sie ihm zu.

Er schweigt.

„Den Gewinn anderen, den Schaden uns!"

Da nrurmelte der Adam: „Wenn der Mensch kein größeres Anliegen
hätte... ."

Literatur.

* Beckmesserei.

Es ist wirklich sonderbar, wie uns
Deutschen das Nörgeln im Blute steckt,
das Herumtadeln an Unwesentlichem.
Zu den Leuten, die sichs beinah zum
Lebensberufe machen, gehört Theodor
von Sosnosky: Jahr aus Zahr ein
bürstet er den deutschen Poeten die
Röcke aus, und wenn er ein Feder-
mieselchen findet, fo thut er's trium-
phierend unter Glas und Rahmen und
schreibt darunter:seht, mankonnte nicht
einmal deutsch. Ja, wenn sich's immer
um noch so kleine, aber doch wirkliche
Unsauberkeiten handelte — aber der
Herr hat keine Ahnung vom Leben
der Sprache, sein einziger Maßstab ist
die Korrektheit. Jetzt schreibt er in
einer Wiener Zeitschrift über „Roman-
deutsch." Da kann er's nicht „billigen",
daß Rosegger nicht sagt: „weiter brei-
tete sich der Aufrühr aus", sondern
viel anschaulicher: „weiter aus breitete
sich der Aufruhr". Rosegger erzählt
vortrefslich kennzeichnend: „Morgens
sagte er: »Gib derweilen Acht auf die
Toni.« Und ging." Nein, nein, nein, ruft
Herr von Sosnosky: „Und er ging",
muß es heißen! Wenn Jensen „reg-
los" statt „regungslos", wenn er
„glücklos", „lichtlos" schreibt, erklärt
das Herr Sosnosky für „ungehörig".
Und so weiter Seiten aus Seiten lang,
ohne eine Ahnung von psychologischem
Unterscheiden der sprachlichenAufgaben
Wahres und Falsches durcheinander.
Wir haben die ästhetische Unbeträcht-

Uuustwart

'KundschAu.

lichkeit dieser Beckmesserei schon vor
Jahren einmal im Kunstwart be-
sprochen, wir könnten sie jetzt von
Sosnosky in Frieden sortsetzen lassen
— fielen nicht unsre Tagesblätter zum
guten Teile drauf hinein. Aber die
oerbreiten dieses Genörgel weiter, weil
es uns Deutschen gar so viel Freude
macht, uns für gescheiter als die füh-
renden Köpfe zu halten. Wir aber
meinen: die Regel ist eine feine äußer-
liche Zucht für Durchschnittsliteraten,
und ordentliche Sprachbehandlung
dürfen wir von jedem verlangen,
auch vom Großen. Durchbricht aber
einer die Regel, su sollen wir uns nicht
ohne Weiteres einbilden,dasdürften
wir als dicken Fehler mit roter Tinte
ankreuzen, sondern wir sollen zunächst
einmal fragen: hat die Durchbrechung
der Regel vielleicht hier irgend eine
besondere Wirkung? Jn den angegebenen
Fällen z. B. hat sie die, und weil Herr
von Sosnosky das nicht heraussühlt,
ist er zur Kritik solcher Dinge nicht der
geeignete Mann.

* „Wenn wir Toten er-
wachen" — unter diesem rätselvollen
Titel ist Henrik Jbsens „drama-
tischer Epilog in drei Akten" nun bei
S. Fischer in Berlin erschienen. Es
soll nicht sein letztes Werk sein, aber
eine Reihe seiner dramatischen Lebens-
bekenntnisse abschließen, die etwa mit
Nora eingesetzt hat. ES ist ein künst-
lerisches, doch zugleich auch ein moral-
philosophisches Bekenntnis, mit dem
 
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