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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

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Heft 7 (1. Januarheft 1900)
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W.: Unsere Bau-Mandarinen
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0284

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Em zweites kräftiges Hilfsmittel zur Uniformierung der Köpfe ift das
Hin- und Herversetzen der Beamten. Sie werden nirgends warm, sie
gewinnen nirgends ein rechtes Verhältnis zur heimatlichen Kunstpflege
ihres Wohnorts, für alle ihre Amtsftuben bleibt fomit der große grüne
Tifch im Ministerium der heilige Altar ihres Zentraltempels. Diefe
kalte Zentralifierung, die nichts denkt als ihren eigenen Gedanken, poli-
tifch hat fie Preußen groß gemacht, aber im Reiche der Kunst war sie
nie zum Segen. Auch das Baumandarinentum wird freieren Einrich-
tungen weichen müffen. Man wird dem Jndividuellen vor dem Kon-
ventionellen, dem Perfönlichen vor dem Schematifchen, dem Heimatlichen
vor dem allgemein Fiskalifchen, dem Beweglichen vor dern Erstarrten,
dem Lebendigen vor dem auf Papier Getrockneten. Höherfchätzung er-
kämpfen müsfen. Es geht anderswo, warum follt' es bei uns unmög-
lich sein? w.

Lose Märrer.

Das ireue IKhvhundert.

wir faßen beim roten Tranbenblute:

„Du neues Iahrhundert, du bringst uns das Gutel
Das Tlu äe 8iec1e, du machst es tot,

Der welt, du gibst ihr ein Morgenrot.

M scheuche denn zur vergangenheit,
was srsudig nicht steht in unsrer Ieit:

Die Schlaxxen und weltschmerzig Miiden,

G ende du sreundlich ihr Sein hinieden,

Die Dekadenten im Glockenrock,

G nimm sie zu dir Schock sür Schock,

Den Ropsklowns, sei so gut, brich den chals,

Den Buchgeschästsleuten ebenfalls,

Die Bühnen, die in Runst rings machen,

G liebes Iahrhundert, laß sie verkrachen,

Die Seher in den Leihhaustalaren,

G lasse sie balde gen Himmel sahren,

Den Künstelern gleich, die um Throne schwänzeln,

Den Süßlingen gleich, die um Gänse scharwenzeln.

Ach, nun um zwöls der Alöpxel sällt,

Neues Iahrhundert, zeig uns die welt —

Wir wollen statt Schminke und Drahtgestell,

Sie selbcr: die Trde, den chimmel, die chöll!"

So lärmten die Freunde. Mir ward's ein Graus,

Mich zog die Sternennacht hinaus.

Da lag das Große, soweit ich sah,

In Sternen ausgelichtet da,

Aus den sernsten Tiesen, schien mir's, glomm
Noch immer ein Schimmer von Lichte sromm,

Und eine heilige Ruhe ging
Aus und nieder am weltenring.

Da war mir, als könnt aus des Lwigen Thor
Sichtbarlich treten der Geist hervor.

Runstwart

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