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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

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Heft 6 (2. Dezemberheft 1899)
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Dichtung und Kinderstube
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Bartels, Adolf: Warum wir uns über die Heimatkunst freuen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0232

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dem Kmde haben. Je länger wir uns Güter bewahren, je länger bleibt,
wenn sie dann doch verloren sind, die Erinnerung daran frisch, und das
eben ist auch etwas, was hier gut thut.

Marum >vir uns über dte Detmalkunsr treuen.

Auch der Kunstwart ist oon vorn herein sür die Heimatkunst ein-
getreten. Man beginnt sie in neuerer Zeit als Macht zu empsinden,
und nun kommen die Angriffe. Ein solcher, von der nicht unbegabten
Romanschriststellerin Johanna Niemann, stand z. B. in einer der Sommer-
Nummern von Friedrich Langes „Deutscher Welt". Jch spüre wenig
Verlangen, aus ihn einzugehen, er ist mir zu unlogisch und phrasenhaft,*
aber ich will hier einmal die Entwicklung der Heimatkunst im Zusammen-
hange darstellen und die Hoffnungen, die ich an sie knüpfe, klar und
deutlich aussprechen.

Die Heimatkunst unterscheidet sich dadurch von den anderen Kunstrich-
tungen unserer Zeit, dem ursprünglichen Naturalismus und Symbolismus,
daß sie nicht durch Programme vorher verkündet worden, und daß sie rein-
deutschen Ursprungs ist. Sie war eines Tages da und zwar aus sehr
verschiedenen Gegenden ^mseres Vaterlandes entsprungen; ihren Karl
Bleibtreu und ihren Hermann Bahr hat sie nicht gehabt, obschon sich
natürlich manche Schriftsteller — ich nenne Liehard und Sohnrep —
Verdienste um sie erworben haben. Den Zusammenhang mit dem Natu-
ralismus wird man nicht leugnen dürfen, aber wiederum trat sie von
vornherein auch in einen entschiedenen Gegensatz zum Naturalismus als
Programmliteratur und französisch-städtischem Produkte, sie ging rhren
eigenen Weg, und unbewußt diente ihr mancher Dichter, der sich für
einen waschechten Naturalisten im Schulsinne oder sür den Vertreter der
Modernen par exLellenLe hielt. Mag man Theodor Fontane den alten
großen Stammesdichtern, denen er im Alter nahekommt, dem Nieder-
sachsen Klaus Groth und dem Schweizer Keller anreihen, es war doch
etwas in seinen Spätromanen, das als neu und noch nicht dagewesen
erschien und recht wohl Heimatkunst genannt werden kann; vor allem
Fontanes letztes Werk, den „Stechlin", kann die Heimatkunst voll für sich
in Anspruch nehmen. Detlev von Liliencrons Bedeutung beruht wohl
hauptsächlich auf seiner „Naturalisierung" der Lyrik (der Dichter sieht es

* Dies mutz ich doch wohl beweisen. Frl. Niernann schreibt: „Die Heirnat-
bewegung setzt sich noch einen besonderen Zweck: sie will unsere Literatur von
den Krankheiten befreien, die sie sich durch ungesunde Jbsenverehrung zugezogen
hat. Das lustige hierbei ist, daß Jbsen selber ein Heimatkünstler strenger Obser-
vanz ist." Wär' er's (er ist es aber keineswegs in unserem Sinne), so hätten
wir immer noch Veranlassung genug, gegen das Norwegertum in unserer
deutschen Literatur zu protestieren. Unsere Opposition geht aber natürlich
nur gegen die gekünstelte P r o b l e m dichterei des Norwegers, vor dem wir
in mancher anderen Beziehung den ehrlichsten Respekt haben. — Ueber Kunst
im allgemeinen meint Frl. Niemann: „Die Kunst ist der Wahrheit darin ver-
schwistert, daß sie in ihren HSchsten Vorwürsen einsach ist, aber es ist nicht die
Einsachheit der Beschränktheit, sondcrn der Größe, die das kleinlich
bedingte, das pedantisch Trennende und Unwesentliche von sich weist und,
darüber hinweg schreitend, geraden Wegs der Erlösung der Kreatur (!) und
der Gestaltung des Jdeals (!) entgegengeht." Ja, sreilich, der Mäler malt eine
gelbe runde Scheibe an den Himmel und nicht etwa den Sonnenschein, der
aus Berg und Thal, auf Bäumen und Häusern u. s. w. ruht. A. B.

Runstwarr

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