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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

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Heft 10 (2. Februarheft 1900)
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Schielderup, Gerhard: Sprechsaal: in Sachen des modernen realistischen Musikdramas
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0395

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Herr E- Hartig hat Verschiedenes in meinern Artikel mißverstanden. Das
Seelenleben des wahrhaft Gebildeten bietet selbstverständlich dem Musikdrama
den reichsten Stoff. Künstliche Scheinbildung läßt sich aber nur komisch ver-
werten- Was die Verwendung von Poesie und Prosa im Drama betrifft, so
bin ich allerdings mit Hartig nicht derselben Meinung, bin ihm aber sür seine
anregenden Erörterungen dankbar. Gelegentlich werde ich meinen Standpunkt
klar machen. Schwer definierbare Worte wie „poetisch" und „Verklärung"
möchte ich nicht verwenden, bin aver, glaube ich, in der Hauptsache mit Hartig
einverstanden. Das Hauptgebiet der Musik bildet unzweifelhaft jenes geheim-
nisvolle erhabene Seelenleben, das sich nicht erschöpfend durch Worte aus-
drücken läßt. Ein d e r b - r e a l i st i sch e r Stoff ist wenig verrvendbar. Jeden-
salls würde der Musiker dieselben Vorgänge mit ganz anderen Augen anschauen,
als der realistische Schriststeller. Der Musiker ist wie der lyrische Dichter Hell-
seher, „verklärt" meiner Meinung nach, durchaus nicht das Lcben, sondern
durchschaut es, haftet nicht am äußeren Schein, sondern gibt uns eine tiesere,
innere Wirklichkeit, die wir sonst nicht sehen. Jede ernste Kunst ist ja nur
die Wiederspiegelung des Lebens in der Seele des Künstlers. Der Musiker
schaut die Welt auf seine eigenartige Weise an.

Dem Sinn nach unterschreibe ich vollkommen Hartigs Schlußsatz. Jch
möchte mich aber solgendermaßen ausdrücken: Wer unsere Zeit mit den Augen
des wahren Musikdramatikers anzuschauen vermag, wird ein vollkommen
besriedigendes Kunstwerk schaffen. Gerhard Schjelderup.

Lose Klätter.

2lus „^einrich vsn LLleist^ vsn wilhelnr vsn ^)slenz.

Vorbemerkung. Selbstverständlich nicht in Berlin oder auf sonst
einer großen Bühne, sondern in — Bromberg hat dieser Tage ein Stück seine
Erstausführung erlebt, das es zwar mit den Meisterwerken der Kadelburg,
Schönthan, Koppel, Blumenthal, Lindau u.s. w. nicht aufnehmen kann, dafür
aber mit ernsten Kunstmitteln eine ernste dichterische Aufgabe zu lösen versucht:
üie Darstellung des Seelenlebens cines Heinrich von Kleist. Wir haben schon,
als das Trauerspiel in Buchform jbei Pierson in Dresden) erschien, von der
Bedeutsamkeit gesprochen, die es nach unsrer Ueberzeugung trotz seiner Schwächen
hat, es bleibt uns übrig, die Teilnahme unsrer Leser daran üurch ein wenig
Anschauung zu verstärken. Wählen wir zu diesem Zweck einige Auftritte, die
jene kurze Liebe Kleists zu Marianne Paltzow zeigen, jene aus der Selbst-
täuschung erwachsene Liebe, die sein letztes Widerstehen bedeutet gegen der
Freundin Henriette Vogels dämonisches Hindrängen nach dem Tod.

Zur Erläuterung soviel: Kleist, der krank im Herzen, zerrüttet in seinen
Verhältnissen unter Henriettes Einsluß schon dem Tode ins Angesicht sieht, hat
sich doch von Adam Müller bereden lassen, das Haus des reichen Empor-
kömmlings Paltzow auszusuchen. Müller hat den Hintergedanken, ihn mit
dessen Tochter, die sür ihn schwärmt, zu verheiraten. Marianne, die Kleist zu-
nächst hochmütig behandelt, ist ihm näher getreten, als aus ihren natürlichen
Antworten ein tieferes Empfinden zu leuchten scheint. Jetzt finden wir die
Beiden während einer Gesellschaft im Paltzowschen Hause.

Kleist: Jch habe Sie nicht kränken wollen mit meiner Frage — bei
Gott nicht! (Er bemerkt, daß die Beiden sort sind) Wie! — allein gelassen —

2. Februarheft ^900
 
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