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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

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Heft 2 (2. Oktoberheft 1899)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0083

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Literatur.

IKundscbau.

* Neue Gesamtausgaben.

Von Julius Mosens Werken
sind drei Gedichte im böchsten Maße
volkstümlich geworden: „Andreas
Hofer", „Der Trompeter an der Katz-
bach", „Die letzten zehn vom vierten
Regiment Seine übrigen Gedichte,
überhaupt seine Werke waren dagegen
in den letzten Jahrzehnten ziemlich ver-
schollen, ja, waren nie in so weite
Kreise gedrungen, wie sie verdienten.
Nun, nachdem der Dichter „frei" ge-
worden, treten neue Ausgaben ans
Licht, von denen wir hier nur die bei
Arwed Strauch in Leipzig erscheinende
schöne Auswahl in vierBänden (I. Band:
Biographie von Max Zschommler.
Bilder im Moose; tl. Erinnerungen,
Gedichte; llt. Epen, Kongreß von
Verona; IV.Dramen)erwähnen wollen.
Als Lyriker namentlich (Mosen ist
einer von denen, die gleich nach den
Großen kommen, und deren Lyrik oft
genug „spezifisch" erscheint) und als
Novellendichter (die „Bilder im Moose"
bilden den Uebergang von der roman-
tischen Novelle zur modernen) ist der
voigtländische Poet noch ganz lebendig.

Ueber Jeremias Gotthelf und
seine noch viel verkannte Bedeutung
hat der Kunstwart oft genug gesprochen.
Er ist das größte epische Naturgenie
unserer neueren Literatur, und seine
Werke sind für uns so ziemlich das,
was die großen Zyklen der Balzac und
Zola sür die französische Literatur
sind, ihnen an naturwüchsiger Kraft
und elementarer Poesie sogar über-
legen. Eine Volksausgabe der Werke
Gotthelfs in Urtext erscheint jetzt bei
Schmidt und Franke in Bern, s Bände
liegen vor. Wir können diese Ausgabe
besonders empfehlen, weil sie auch
zugleich eine kritische ist und allen
rsissenschaftlichen Ansprüchen genügt.
Es ist Zeit, den Rahmen der Klassiker,
üie man haben muß, zu erweitern —
Gotthels gehört auch zu den zu Be-

rücksichtigenden, Volksliteratur, Dorf-
geschichte, echter Naturalismus müssen
in ihm ihren Meister sehen. — Von
Gotthelf bis zuMaximilianSchmidt
herab ist ein tüchtiger Sprung, aber
ich habe nichts dagegen, daß die Werke
dieses stoffreichen guten Erzählers die
weiteste Verbreitung sinden. Sie sind
wohlgeeignet, der Hintertreppenlitera-
tur, zu der ja auch ein gut Teil des
Feuilletonromans gehört, entgegenzu-
wirken. Die „Gesammelten Werke"
Schmidts erscheinen bei Enßlin und
Laiblin in Reutlingen in Zwanzig-
Pfennig-Heften.

Felix Dahns „Sämtliche Werke
poetischen Jnhalts", über deren Er-
scheinen hier gelegentlich berichtet
worden ist, liegen nun mit 2: Bänden
vollendet vor (Breitkopf L Härtel).
Das Urteil über Dahn brauchen wir
hier nicht neu zu fällen, er gehört zu
den Poeten, deren für ein gutes Werk
zureichende Kraft in zwanzig Bände
auseinandergeslossen ist. Betrachten
wir aber sein Schaffen vom Stand-
punkt der Familienunterhaltungs-
lektllre, so ist fast alles, was er ge-
schrieben hat, zu empfehlen; der rei-
seren deutschen Jugend zumal steht er
daher sicherlich näher als Cooper, ja
selbstScott, obschon dieser einer höheren
Gattung angehört. Endgültig zuformen
wäre höchstens noch das Urteil über
den LyNker Dahn, den man erst in
dieser Gesamtausgabe ordentlich kennen
lernen kann. Jch glaube, man kann
sagen, daß Dahn von den Münchnern
dem Meister Geibel am nächsten steht,
behalte mir aber Ausführliches sür
eine lyrische Uebersicht vor. — Bei
Breitkopf L Härtel erscheinen jetzt
auch Richard Leanders (Volk-
manns) „Sämtliche Werke". Volkmann
war einer der kleinen, aber feinen
deutschen Poeten, die neben den großen
elementaren nicht fehlen dürfen und
ihren Platz oft sehr lange behaupten.

2. Gktoberheft 1891
 
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