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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

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Heft 12 (2. Märzheft 1900)
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Platzhoff, Eduard: Vom Schatten der Frauen
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Göhler, Georg: Musikgeschichte, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0467

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roeder ein Grund noch eine Gelegenheit vor; zudem scheinen mir diese Fragen
rveit weniger wichtig. Einige Andeutungen mögen darum genügen. Wirkt die
Frau agitatorisch durch ihre Bücher, so geschieht das in der Regel nicht für
irgend cin unbekanntes Ziel, sondern für das Wohl ihres Geschlechts, wie sie
es — oft genug in recht eigentümlicher Weise — versteht. Auch hier bleibt sie
also ihrer oben geschilderten Eigenart treu. Jn der Wissenschaft endlich hat
sie dazu sreilich keine Gelegenheit, denn an eine weibliche Methode ihres Be-
triebes hat seit George Eliot niemand mehr geglaubt. Sie kann also hier nur
ihre formalen Besonderheiten (Genauigkeit, Geschmack, Freude an der Klein-
arbeit) zur Geltung bringen. Auch wird man beobachten, daß die meisten
Frauen zur Wissenschaft nur ein sehr vorübergehendes Verhältnis haben und
durch sie hindurch zu praktischer Bethätigung eilen. Der Wille zur Macht, ein
praktisches Motio also, nicht die obsektive Witzbegier pflegt den Ausschlag zu
geben. Die abnormen Fälle des Gegenteils erklären sich zum guten Teil aus
üem obengeschilderten Bedürfnis nach Rettung von sich selbst. Jn der Musik
endlich, der subjektiosten und darum an die Produktivität die höchsten An-
forderungen stellenden Kunst, ist der Mangel der weiblichen Schöpferkraft neben
einer bedeutenden Fähigkeit des Nachschasfens sim Virtuosentum) bekannt. Die
Untersuchung der Gründe hierfür gehört aber auf ein anderes Blatt.

Lduard jdlatzhofs.*

/Wusikgescbicdte.

I. Einleit end es.

Der Kunstwart hat es von jeher sür seine Hauptausgabe gehalten,
den Kreisen, die sich seiner Führung anvertrauten, als Begleiter in die
reichen Gebiete lebendiger Kunst zu dienen, auf neu erschlossene Wege
zu leiten, in der ungewohnten neuen Welt die Sinne auf die rechten
Punkte zu lenken, Hindernisse aus dem Wege zu schaffen, das Gefundene
im rechten Lichte deutlich zu machen, den Wert der gehobenen Schätze
zu kennzeichnen — kurz zu Helfen, wo's Not thut, also besonders am
Anfang, der aller Orten fchwer ift. Die Leser haben sich nun wohl all-
mählich in Gruppen geteilt. Nicht jeder kann neben dem, was das Leben
von ihm fordert, auch noch alle die Dinge mit gleicher Liebe pflegen,
die ihm hier gezeigt werden. Schon die perfönliche Verantagung läßt
den dort, jenen da finden, was ihm am meiften zusagt.

Zu einer neuen „Expedition" ergeht mit diesen Zeilen ein Ruf. Jn
dem Lande der Mufikgefchichte, das das Ziel der folgenden Streif-
züge fein foll, werden nicht viel derer schon ansässig fein, die mit uns
arbeiten. Also heißt's langsam vordringen und zunächst einmal darlegen,
was eigentlich beabsichtigt wird. Die Mode, die ja Herrscherin auch über
die meiften Seelen im Bereiche der Bildung ist, die Mode, welche zu-
friedene Unterthanen liebt, fo nicht zu viel denken, die Mode ift unserm
Unternehmen ungnädig gesinnt. Sie hat vorläufig noch das Recht, von
der Beteiligung mit einer platten Nützlichkeitstheorie abzuraten und zu
fagen: „Musikgeschichtliche Kenntniffe verlangt die Gesellschaft nicht, fie
gehören nicht zur allgemeinen Bildung. Die unmufikalische Struktur der
Ohren wird als Entfchuldigung felbft bei Hofe akzeptiert." Das ist

* Wir bringen zur interessanten Ergänzung dieser Arbeit eines Mannes
demnächft noch einen kurzen Aufsatz über das gleiche Thema von Frauen hand.

2. Märzheft ^900

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