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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1899)
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Rundschau
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0051

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„Natürlich" aber ist das leicht
Verständliche, das — nicht der Natur
des Dichters, behüte l aber — der Na-
tur des „vernünftigen Lesers" Gemätze,
das was „nach dem Urteil aller Sach-
verständigen* das„Rechte" ist. „Natür-
lich^ nennt man, was alle Leute thun,
reden und denken, „natürlich", was
„immer, überall und von allen" da-
für gehalten wurde.

Wem aber diese „Gesundheit" der
Güter Höchstes nicht ist, sondern Er-
kenntnis; wer wie der Bergmann in
die Tiefen dringt mit Lebensgefahr,
um das Gold zu suchen; wer sein
Leben aufs Spiel setzt, um einen

Augenblick Schönheit und Reinheit
vom Gipfel in vollen Zügen zu trinken;
wer die Wüsteneinsamkeit nicht scheut,
um in der Abgeschlossenheit aus sich
zu schöpfen, was der Geist ihm schenkte;
wer nicht fragt, welchen Lohn ihm ein
Werk einbringen wird, das er schaffen
muß — der ift ein gefährlicher Thor,
dessen Ende sieht man voraus, dessen
Motio ist die Eitelkeit, dessen Ziel ist
die Unnatur, dessen Geist ist gestört.
Darum bitte ich euch: bleibt doch ge-
sund, seid doch natürlich, macht's wie
die Andern, und alles bleibt nett und
gemütlich. pl.

Nnsre Mlder und Ooten.

Wir glauben die Notenbeilagen dieses neuen Jahrgangs nicht würde-
und weihevoller eröffnen zu können, als mit dem Adagio aus Anton Bruck-
ners Streichquintett, nach der Einrichtung für Klavier von Jofef Schalk, die
vollständig bei A. Gutmann in Wien erschienen, ist und woraus hier mit freund-
licher Erlaubnis des Verlages der die Exposition umfassende Anfang mit-
geteilt wird. Nach dem 22. Takt kommt eine am Klavier schwer wiederzugebende
Verwebung der Stimmen durch ;2 Takte vor, die in unserer Beilage mit einem
dreiften Sprung (vi-äs) übergangen wurde. Jm übrigen bedarf der feierlich
aus den Tiefen der Seele hinströmende Gesang mit seiner wundervollen Me-
lodik keiner weiteren Erläuterung. Der letzte Takt (u. s. w.) lenkt im Original
wiederum in die Anfangsmelodie zurück, die, wenn man sie nach dem zwölften
Takt mit einem 6es-äui--Akkorde beschließt, dem Bruchstück eine gewisse
Abrundung verleiht. Mögen diese Noten im Verein mit dem Grafschen
Aufsatze unsere Leser zu näherem Befassen mit dem Genius des bei Lebzeiten so
arg verkannten Meisters anregen.

Von unsern Bildern nach Hans Thoma braucht das erste, sein
schlicht kräftig radiertes Selbstbildnis, gar keine Begleitworte. Und die andern
brauchten dergleichen auch nicht — es ist nur zu schwer, Thomasche Bilder
ohne ein paar Worte der Freude darüber zu zeigen! Oder brauchte es der
Erklärung, was diesem „jungen Dichter" da im Herzen umgeht, dem das sehr
ernst gestimmte Amorlein im Sattel sitzt? „Jch aber bin allein" — nur darf
man das ja nicht im Ton der sapphischen Ode sprechen, sondern so, wie es
ein unschuldiger, guter, siebzehnjähriger deutscher Junge fühlt. Unser drittes
Blatt, „Amor und Töd", ist dem Gefühlswert nach eines der allerreichsten von
Thoma. Von jener Gebetsinnigkeit ist es, bei der die Lippe lächelt, während
das seuchte Auge doch bangt. „Du großer Tod du", besagt es, „was sind dir
diese zwei, du Herrscher, und sieh, sich selber sind sie doch so unsäglich viel
— bringst du es übers Herz, sie zu trennen? Bäumt sich ihre Liebe mit
ihrem »Ewig« gegen dich aus, so lächle über das schwache Ding, das dir am

1. Gktoberhest ^899
 
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