Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

DOI Heft:
Heft 1 (1. Oktoberheft 1899)
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0050

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
deutschenUnterrrchtbringt. AufdemGe-
biet dernationalenKultur kann ja jedes
Volkstum das Eigenschöpferische
nur von innen heraus bilden; An-
regung und Befruchtung aber sollen
wir auch von außen jederzeit bereit-
willig ausnehmen. Daß wir Deutschen
das von jeher gekonnt haben, wird
von vielen als eine Art Schwäche an-
gesehen — mit Recht, wenn die Auf-
nahmefähigkeit in Nachahmung aus-
artet, mit Unrecht, wenn fie selbständig
verarbeitet. Denn dann handelt fich's
um eine starke Seite, um „Groß-
räumigkeit" im Erfasfen und Verftehen.
Nehmen wir auch aus der amerika-
nifchen Arbeit, was wir brauchen
können! w. Schölermanu.

* „Ohne Allegorie und Zoo-
logie".

Diesen alten guten Kampfruf der
Aesthetik hat nun auch Ler Kaiser ange-
nommen, und bei der Wichtigkeit, die
man kaiserlichen Aeußerungen in Kunft-
sachen beimißt, ift das sehr gut. Nun
hat aber das Nationaldenkmal für
Wilhelm I. nach neuerlicher Feststellung
nicht weniger als 53 allegorifche
Menschengeftaltenund ;5?Tiere. Trotz-
dem ift es durchaus mit kaiserlicher
Zuftimmung fo geworden, wie es ist,
und feinen Verfasfer, Begas, hat eben
der Kaiser „den deutschen Michelangelo"
genannt. Verurteilt der Kaiser feine
bisherige Kunftauffäsfung selbft'i Es
würe fein gutes Recht. Aber was fangen
dann die armen Schranzen an, die ihm
geftern nachgebetet haben, wie fie's
heute Lhun?

* Reklame-Plakate und Jn-
fchriften brauchten die Schönheit der
Landschaften und der Städte nicht zu
fchänden, wenn fie nur geschmackvoll
hergeftellt und angebracht wären; fie
fchänden fie, weil fich die Gefchäfts-
leute bei der Konkurrenz fo fehr ans
Schreien gewöhnt haben, daß fie's
nicht lafsen können. Ein wirklich hüb-
sches dekoratives Plakat am Wege
stört keinen Menschen, und gerade an

Runftwart

langweiligen Stellen wird's am meiften
beachtet. Drängt sich's aber auffallend
mitten in ein fchönes Naturbild hinein,
fo gibt das eine Beläftigung des Auges,
gegen die man einschreiten darf, wie
gegen ruhestörenden Lärm. Deshalb
rufen wir den fächsischen Behörden ein
Bravo zu, die, mit denen Dresdens
an der Spitze, jetzt gegen den Unfug
vorgehen. Merkt man einmal auf das
Aefthetifche auf, so thut man vielleicht
auch den zweiten Schritt, den ins
Positive. Da hätte man denn bei den
obrigkeitlichen Aufträgen für kräftige
Farbe und ftarke Formen zu wirken,
um die graubraunen Sauzen und klein-
lichen Zierrätchen auch magistratlicher
AbstammungausdenStraßenzukehren.

Verinischtes.

* Von Gesundheit und Na-
türlichkeit, wie wir fie verftehn,
hat neulich der Kunftwart gesprochen,
und er wird's noch oft thun, da er
ja gerade Gesundheit und Natürlich-
keit vor allem erstrebt. Aber uns
wird beinahe bange, wenn wir fehn,
rvas man so im allgemeinen unter
Gesundheit und Natürlichkeit verfteht.
Was ift es doch gleich?

Das ift es:

„Gefund" ist das leicht Verdauliche,
das nach dem Mittagefsen noch auf-
genommen werden kann. „Gesund"
ist das, was Reife und Unreife, Ge-
schulte und Ungeschulte, Grobe und
Feine gleich gut vertragen können;
„gesund", was der Tertianer und die
Töchter der Selekta ohns Erröten und
Verstecken vom Wohnzimmertisch neh-
men können. „Gesund" ist vor allem,
wenn fie fich kriegen, wenn das Gute
fiegt und das Edle endlich seinen Lohn
findet, wenn die Bösewichter in die
Versenkung fallen und Tante Klara
zum Schluß erklärt, sie hätte ja immer
gewußt, daß die Jdeale schließlich doch
aus dem Schmutz und der Flachheit
der fchlechten Bücherschreiber fiegreich
hervorgehn würden.

58
 
Annotationen