Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

DOI Heft:
Heft 1 (1. Oktoberheft 1899)
DOI Artikel:
Bartels, Adolf: Die Modernitis
DOI Artikel:
Graf, Max: Anton Bruckner, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0024

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
zunächst die des Volkstums, auch in dem Leben und der Kunst von
heute mächtig sind. Zu verstehen ist sie; nach der maßlosen Ueber-
schätzung der historischen Kritik (nicht der wirklich wirksamen historischen
Kräfte), die uns u. a. eine zuletzt alles auflösende Literatursorschung be-
scherte, mußte einmal eine Unterschätzung der historischen Betrachtung
der Kunst eintreten. Aber sie ward gesährlich, ward Krankheit, als sie
sich mit dem Größenwahn verschwisterte. Zuletzt ist die Modernitis
weiter nichts als ein Größenwahn, mit krankhaster Geltendmachung des
Neuen als des einzig Wahren und Berechtigten. Hat ihn der
Künstler selbst, ich werde Mitleid empsinden, aber nun haben ihn auch
die Kritiker, die Genießenden. Da schreibt Franz Servaes: „Natürlich
wollen alle (Künstler), daß der Kritiker — oh, daß Jhr einmal eine
Kritikerseele durchmessen könntet, Jhr Künstler! — gerade ihrem Streben,
das ja »das einzig richtige ist«, Fahnendienst leiste und zum Siege
verhelse. Der Kritiker lächelt. Jhm sind die Künster im Grunde nichts
anderes als Rohmaterial zur Ausübung seiner Kunst: ja, so stolz
empsindet die »Kritikerseele«, Jhr Künstler! Sie arbeitet in Künstler-
seelen. Frech, nicht wahr? Aber es ist ihr unbezwinglicher Trieb!
Das feinste Material, das es gibt, ist ihr gerade eben fein genug, sich
darin zu bethätigen. Euer Material, ihr Künstler — doch nun werd'
ich größenwahnsinnig! — ist ihr im Grunde . . . noch zu grob." Ser-
vaes sucht diese Hanswursterei dann abzuschwächen und meint, daß das,
was der Kritikerseele vollstes Recht begründen würde, sich neben die
Künstlerseele zu stellen, erst noch kommen muß. Jch, auch ein Kritiker,
behaupte, daß es nie kommen wird: immer wird sich der Kritiker, auch
der größte, vor der dichterischen Schöpserkraft zu beugen haben. Genau
so steht der Kritiker zur Kunst wie der Natursorscher zur Natur; das
„Jgnorabimus" gilt auch hier. Es ist im Grunde der alte Philologen-
hochmut, der jetzt wieder auftaucht; Servaes hat Wilhelm Scherer
und Erich Schmidt, die auch Künstler in Dichterseelen sein wollen, ihre
Mätzchen abgeguckt. Nun, man kann über sie lachen. Die Modernitis
aber, die auch im Publikum umgeht, soll man doch im Auge behalten,
sie kann uns die wirklichen Errungenschaften der letzten Jahr-
zehnte verderben, die kein Vernünftiger wegleugnen wird. Gerade der
Kunftwart hat ja für fie Jahr ein Jahr aus gekämpft, und er wirds
weiter thun, denn modern und modernitisch ist gottlob immer noch nicht
einerlei. Wir erhoffen Blüten und Früchte, wo die Modernitischen die
Keime und Knospen verderben, ehe sie «ufblühen, das ist der Unterschied.

Adolf Bartels.

Nntou Wruckner.

Wenn man Anton Bruckner aus der Ferne sah, erschien sein Kopf
gleich dem eines römischen Jmperators, wie ihn alte Münzen zeigen.
Trat man näher und gewahrte man den gütigen Ausdruck der Augen,
so erinnerte Bruckner eher an einen milden alten Priester, den die Alten
ehren und dem die Jungen gut Freund sind. Wenn man ihn in seinem

Aunstwart

12
 
Annotationen