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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

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Heft 6 (2. Dezemberheft 1899)
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Bartels, Adolf: Warum wir uns über die Heimatkunst freuen
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Göhler, Georg: Peter Cornelius
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0235

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Stil hat sich auf der Bühne erhalten? Aber I. P. Hebel, Jeremias
Gotthelf, Willibald Alexis, die in ihren Werken Heimat und Stammes-
tum verkörperten, sind heute noch srisch und gelten bei allen Deutschen.
Das waren große Talente, gewiß, aber auch kleinere wie Hermann
Kurz, Melchior Meyr, Adols Pichler werden immer noch gelesen und
erleben neue Auslagen. Der Satz dürfte sich schwerlich bestreiten lafsen,
daß das kleinere echte Talent nur dann Aussicht aus dauernden Erfolg
hat, wenn es mit der Heimat verwachsen bleibt. Und es braucht kein
bloß lokaler Erfolg zu sein: Wir Deutschen sind individualistisch an-
gelegt und freuen uns jedes Stammestums, jeder Heimatdarstellung,
sobald sie nur „echt" ist. Jedem Ländchen sein Dichter, aber sür alle
Deutschen.

Daraus kann dann aber doch recht wohl wieder eine nationale
Poesie großen Stils erwachsen. Man denke an all die italienifchen
Malerschulen des Quatrocento, die alle ziemlich felbständig gewesen sind
und Sondercharakter tragen. Und dann sind doch aus einmal die großen
Meister des Cinquecento, die Lionardo, Michel Angelo und Raffael da.
Eme ähnliche Eutwicklung kann recht wohl aus unfrer Heimatkunst her-
vorgehen, und wir sind umsomehr berechtigt, Hoffnungen auf sie zu
setzen, als uns weder der extreme Naturalismus noch der Symbolismus
die große deutsche Kunst bringen konnten, sie, die so unglaublich schnell
erstarrten. Hauptmanns „Fuhrmann Henschel" steht im einzelnen, aber
nicht der Gattung nach höher als „Vor Sonnenausgang", und die sym-
bolifche Dichtung lebt von einem einzigen großen Halbdichter, von
Nietzsche. Daß außer diesen noch manche ältere Dichtungen sortleben,
weiß ich recht wohl, aber Verheißendes finde ich in ihnen nicht, es ist
nur noch ein Ausleben. Hier und da experimentiert auch ein Junger
mit dem großen Stil, aber es bleibt auch beim Experimente. So
weiß ich nicht, woran sonst man einstweilen Hoffnungen knüpsen sollte,
als an die Heimatkunst. Adolf Bartels.

Keter Sornelius.

Als vor sünsundsiebzig Jahren, am 2^. Dezember s82^, die Göttin der
Kunst einen ihrer liebsten Söhne, Peter Cornelius, im goldenen Mainz seine
Erdenwallsahrt antreten hieß, wollte sie den Deutschen mit der unver-
dienten Weihnachtsgabe wieder einen neuen Beweis ihrer Liebe geben.
Sie gab dem Kinde ihr Besles mit aus den Weg: einen Geist, der alles,
was sich ihm bot, mit eigenem künstlerischem Leben zu erfassen und zu
durchdringen vermochte. Das Kind sand manchen Freund. Als sein
Vater gestorben war, sand es bei dessen berühmtem Vetter, dem Maler,
treue Förderung; als dann der Schulboden Berlins ihm zu enge wurde,
erkannte Liszt in dem Jüngling die verwandte Künstlerseele; Wagner
und Ludwig II. nahmen sich seiner an. Aber doch war der Künstler-
gang das übliche Martyrium. Zwischen den Tagen der Freude liegen
Jahre der Not, zwischen den wenigen Getreuen stehen die Massen der
Verächter. Das erste große Werk des Dichter-Musikers, sein „Barbier
von Bagdad", wurde ausgepfiffen, seine klemen Sachen lagen unbekannt
in seinen Mappen, mit Uebersetzungen, Stundengeben und Schriftstellern
verdiente sich der Künstler sein Brot. Nach sünszig Jahren dursth

2. Dezemberheft
 
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