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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

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Heft 7 (1. Januarheft 1900)
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Göhler, Georg: Die neuesten grossen Chorwerke, [1]
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W.: Unsere Bau-Mandarinen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0280

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„Worte der Bibel und Spiele des Volks" auf das Glücklichste ver-
schmolzen. — Mit der Anlage bin ich nicht durchweg einverstanden. Daß
ste sehr srei ist, möchte noch am ehesten zu entschuldigen sein. Aber der
zweite Teil sällt unbedingt ab, weil ihm der innere Halt und die Na-
türlichkeit mangelt. Marias Wiegenlied mit seinen Kreuzbetrachtungen
halte ich für versehlt, auch die Anbetung der Könige ist nicht glücklich
eingeführt. Sehr ersreulich ist, daß diese beiden textlich gekünstelten
Szenen auch musikalisch bedeutend zurückstehen und deutlich das Erzwungene
sühlen lassen, wohl das beste Zeichen dasür, daß Wolsrum eben ein mo-
derner Künstler ist, der unkünstlerisches nur mit Anstrengung bewaltigt
und den unerkannten Zwiespalt doch am eigenen Schaffen spürt! Das
Werk stellt große Ansorderungen ans Orchester, die Solopartien enthalten
viel Schönheiten, in letzter Linie kommt der Chor, in dessen Behandlung
andere wohl bewanderter sind. Leider ist im Text wie in der Musik
das Gesuchte nicht ganz vermieden. Es ist manchmal imitierte Naivetät
und das ist sehr übel. Aber über solche Mängel helsen bei dem Werk
thatsächlich die ansangs gerühmten Vorzüge hinweg. Ein Pfadfinder ist
ja auch Wolfrum nicht, aber er geht mit Bewußtsein seinen Weg, der
abseits von den reizlosen Geschäfts- und Landstraßen liegt, aus denen
andere ihre Juden, Schweden und Heiden nach alten Marschmotiven vor
versammeltem Publikum defilieren lassen. Die Musikgeschichte wird viel-
leicht später die Proportion ausstellen: Wolfrums „Weihnachtsmysterium"
verhült sich zum „Christus" von Liszt wie Humperdincks „Hänsel und
Gretel" zu den „Meistersingern". Georg Göhler.

(Schluß solgt.)

Ansre Kau-Mandarlnen.

Damit unsere Betrachtungen nicht in der Lust hängen, müssen wir
sie wohl an einen bestimmten Staat heften. Wählen wir dazu Preußen;
bloß weil es unser größter deutscher ist.

Die Verwaltung des preußischen wie der meisten größeren Staaten
hat drei Jnstanzen: die unterste lokale, ausführende, welche von der
Regierung beaussichtigt und geleitet wird, wie diese wieder vom Mini-
sterium. Jede Jnstanz ist klüger als die ihr untergeordneten, die unterste
ist nur klüger als das Publikum. Die Entwürse, so die erste Jnstanz aus
Anordnung der höheren ausarbeitet, werden von der zweiten mit blauer
Tinte revidiert und von der dritten mit roter superrevidiert und end-
giltig sestgestellt.

So ist es ganz in der Ordnung. Ordnung regiert die Welt, sagt
das Sprichwort, und Sprichwörter treffen bekanntlich immer den Nagel
auf den Kopf. So sagt das unsere nicht etwa, daß Vernunft oder
Genie, oder das Gute die Welt regiere, sondern: die Ordnung. Da
nach einem uns von der Erfahrung gelehrten Gesetze niemals in der
Welt mehrere Gewalten einträchtig zusammen regieren können, solgt
unerbittlich der weitere Schluß, daß nicht jene es thun, sondern allein
eben: die Ordnung.

Der Staat übt auch eine Kunst aus, nümlich die Architektur. Wir
sind das so gewöhnt, daß wir dabei nichts finden. Aber nehmen wir
an, er betreibe etwa auch die Dichtkunst. Dann würde der Geschüfts-
gang z. B. sein:

Runstwarl

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