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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

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Heft 10 (2. Februarheft 1900)
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Schlaf, Johannes: Deutsche Individualität
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Batka, Richard: Hans Sommers Lieder
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0390

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störung der zeugenden Lebensenergieen sinden mag. Denn es kommt
nicht so sehr daraus an, ob eine Jndividualität „optimistisch" oder „pessi-
mistisch", sie muß nur vor allem Rasse haben, suggestioe Gewalt muß
ihr innewohnen und, was uns hier also Hauptsache sein soll, sie muß
in den Eigenschaften, die ich hier bei Dehmel und Przybyszewski her-
vorhob, deutsch sein. Jch bin noch so unbescheiden, hier auch aus meine
lyrische Dichtung „Frühling" hinzuweisen?

Jch könnte nun wohl noch andere Beispiele deutsch-moderner Neu-
individualität unter der neuen Generation hier beibringen: ich begnüge
mich aber mit diesen wenigen. Warum?, gerade weil sie den Nationa-
litätssaxen und den gotisierenden Philistern „paradox" erscheinen.

Mögen sie und ihresgleichen den ausstrebenden Krästen, wenn auch
in dem Bestreben über sie hinaus zu gelangen, Halt und Richtung geben...

Iohannes Schlaf.

Dans Loinmers Lieder.

Uns fehlt ein Führer durch die neuere Tonlyrik, das ist im Kunstwart
ost schon beklagt worden. Tag um Tag erscheint Neues, Gutes und Schlechtes,
und niemand ist, der es sichten und richten mag. Auch wer vorsichtig bloß
den „guten Namen" nachgeht, tritt an den Komponisten nicht selten just an den
schwerst zugänglichen Stellen heran oder an solchen, wo der vermeinte Homeros
zusällig schläft. Jm Schaffen auch des bedeutenden Künstlers gibt es vom
Vollendeten bis zum Mißglückten herab eine lange Stufenleiter. Gewohnheits-
kompositionen, Zweckarbeiten u. dgl. stehen oft dicht neben den echten Ein-
gebungen und vollwichtigen Aeußerungen der Persönlichkeit. Bei manchen
prägt sich die vorhandene Eigenart in ein par typischen Werken aus; bei
Anderen bedarf es der Kenntnis einer ganzen Reihe, um ein zutreffendes Bild
öer Jndividualität zu gewinnen. Da hilft nur eins: daß sich einer die Zeit
nimmt, dem Autor auf allen seinen weitläufigen Wegen nachzugehen, um jene,
die da folgen möchten, um ein wenig zurechtzuweisen. Denn ein paar Finger-
zeige, die ihm überflüssige Jrrgänge ersparen, nimmt auch der Selbständige
fürs Erste gern an.

Unter den Liederkomponisten der Gegenwart nimmt Hans Sommer
schon durch die große Zahl seiner Gesänge eine hervorragende Stellung ein.
Sein erstes Liederhest (og. Z verriet in dem edeln und sein gearbeiteten Liede
„Stumme Liebe" bereits ein beachtenswertes Talent, und die „Rattenfänger-
lieder" (op. 2) bestätigten und steigerten dann diesen Eindruck mit dem reiz-
vollen „Jch freu mich", dem einsach-sinnigen „An meiner Thüre du blühender
Zweig", den feschen „Rothaarig ist mein Schätzelein" und „Heraus mit der

* Wir geben den Aufsatz Johannes Schlafs mit Vergnügen unsern Lesern
weiter, weil er auf die zu wenig beachtete Kehrseite einer jetzt viel umlausenden
Münze entschieden hinweist. Wir halten auch Schlass Empfehlung eines „mo-
dernsten Deutschtums" bei Liliencron, Dehmel und selbst Przybyszewski für
sehr nachprüfenswert, soweit sich's um das sprachtich Formale handelt. Jn
anderer Beziehung haben wir bei dem Polen Przybyszewski wirklich nicht viel
Deutsches finden können und bei Dehmel jedenfalls nicht nur Deutsches, das
uns förderlich scheint. Wir werden auf die Kunst der „modernsten Deutschen"
bald zurückkommen. Gegen das, was Schlaf unter „Gotik" versteht, hat ja
keiner klarer gesprochen, als unser Literaturkritiker Bartels. Die Ansichtev,
die er jüngst an dieser Stelle über „Heimatskunst" aussprach, zeigt nach unserer
Meinung deutlich unsern Weg. A.

Auustwart
 
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