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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

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Heft 6 (2. Dezemberheft 1899)
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Unsre Noten und Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0263

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Mnsre Ooten und WLlder.

Hinsichtlich unsrer Noten können roir einfach auf den C o r n e l i u s-
Aufsatz von Göhler verweisen, den dieses Heft bringt. Wegcn dcs ersten
Liedes erinnern wir an das, was dort über den ganzen Zyklus gesagt ist.
An dem kleinen zweiten Stück bitten wir, sa nicht achtlos vorüberzugehen,
vielmehr, sich wiederholt und innig darein zu vertiefen: dann wird langsam
und wie zurückhaltend, eine ganz wundervoll edle Schönheit aus diesen wenigen
Takten aufblühen. Dieses kleine Werk vollkommen vorgetragen zu hören,
wird für jeden ein tiefes Erlebnis bedeuten.

Von unsern Bildern ift das erfte die Reproduktion eines Werkes des
jüngst verstorbenen unvergeßlichen Segantini, das die Münchner Pina-
kothek bewahrt. Glaubt man nicht selbst vor dieser bescheidenen Wiedergabe
die Hochgebirgsluft zu atmen, fühlt man nicht felbst hier die Seele dieser
ernsten Landschaft und dieses Volkes?

Nun zu unsern Weihnachtsbildern. Ludwig Richter sollte auch heuer
nicht fehlen, wo Kunstwartfreunde beim Lichterbaum ftehen — wir lassen desfen
zur Gemahnung mit einem Blatt aus dem Dürrschen Verlage (es entstammt
der Mappe „Gesammeltes") seinen Mohrenkönig reden, denn der kanns.

Und dann kommt unser Hauptblatt: Stephan Locheners hoch-
gepriefene aber gar nicht so sehr bekannte Rosenhag-Madonna aus Köln. Wir
bringen das Bild mit einer Frage: ist es recht, "daß man von unsrer „alt-
deutschen" Malerei so selten nral etwas zu sehen bekommt? Die italienischen
Prärasfaeliten, von denen spricht und die zeigen sich in hundert Abbildungen
Hinz und Kunz, denn ihr Ruhm ward zumal von England her mit den neuen
Möbeln importiert. Recht so, diese Jtaliener sind ganze Kerle, und man soll
sich ihrer erfreuen. Sie waren vielleicht auch größere Künstlcr, als unsre
deutschen „Prürafsaeliten". Aber echte Künstler waren diese auch, und es ist
nicht in der Ordnung, daß wir die heimischen Meister so wenig beachten,
daß ihre Bilder uns zunächst wie eine fremde Welt berühren. Daß aus
unserm Bilde die Madonna- und Christkind-Backen geschwollen aussehen, die
Körper steif und daß einiges darauf „naiv" in anderem Sinne aussieht, als
im besten, das kann jeder Lehrling sehen, selbst wenn er nicht einmal „geist-
reich" ist. Aber man blicke länger hinein in das Werk, so lange, bis man ihm
ins Herz sieht. Dann sangen diese Engel (was sind es sür holde unschuldige
Dinger!) zu harsen und zu singen an, daß wir beinahe hören ihre uralten
fronunen Weihnachtslieder, und vom heiligen Geist, den Gott Vater droben so
freundlich aussendet, vcrspüren wir alle einen Friedensgruß. Was unsre A l t-
vordern empfanden, das ist ein Erbe für u ns, und wohl uns, wenn
wir diese ihre Schätze auch an wenig beachteten Stellen zunächst einmal finden
und aufnehmen in unsre Seele. Dann freilich, ja, dann wollen wir frei
damit schalten, ganz srei, wie unsere Zeit verlangt.

Unsrer eben erst begonnenen Sammlung von kleinen Möbeln sügen wir
heute Abbildungen von Stühlen bei, deren zwei in dem so vortrefflich verwal-
teten Kunstgewerbemuseum zuHamburg aufgehoben werden. Sie stammen aus der
Empirezeit und zeugen von großer Liebe zum Handwerk, von feinem Ausproben
und vorzüglichem Ärbeiten. Da ist alles schlicht, holzgemäß, gebrauchsgemäß,
ohne jeden nur äußerlich anhängenden Zierat. Man sitzt auf diesen Stühlen,
wie man gar nicht besser sitzen kann. So sind sie eigentlich „modern"? Die
„modernen" sind nur selten so natürlich, so wenig gewaltsam in ihrer
Form, wie diese hier. Lernte man es doch endlich überall: ob Renaissance,
Rokoko, Empire, kurz, welchen Zeitstils überhaupt, das ist gänzlich Nebensache.
Auf den Sachstil kommt es im Kunsthandwerk vor allem an, d. h. darauf,
ob etwas in Form und Farbe seinem Stoss und seinem Zwecke entspricht.
D a heißts, ein Ding wirklich aus Herz und Nieren prüfen, prüft man den
Zeitstil, prüft man nur die Kleider.

Nun noch etwas rein Praktisches. Wir haben die Kölnische Madonna
im Doppelformat und hatten jüngst Böcklins „Toteninsel" sogar in drei-
sacher Blattgröße reproduzieren lassen. Das gibt Brüche, und dieser llebcl-
stand läßt sich nicht vermeiden, denn ein Versenden in ungebrochenem Zustande
würde die Expeditionskosten so sehr erhöhen, daß bei sooo Auflage jcde Nummer

2. Dczcmberhest
 
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