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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

DOI Heft:
Heft 4 (2. Novemberheft 1899)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Unser Weihnachtskatalog, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0133

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13. ZKbrg. Lweires Novemberüetr 1ZSS. Detr 4





Nnser Meldnncdrskaralog.

Ja, da wär' er nun, nicht nur lückenhaft noch, sondern auch mangel-
haft, und fehr ungleichmäßig geraten, aber doch ein Anfang: unfer Weih-
nachtskatalog. Hat er eine Daseinsberechtigung?

Laffen wir Lehr-, Geschäfts-, Kurs- und Reisebücher beiseit, so
dürfen wir allermindestens fagen: von fechs deutfchen Büchern werden
fünf im Dezember gekauft. Denn vor Weihnachten kauft man auch wohl,
was man nicht „braucht", und Werke der Kunft und Wissenfchaft,
felbstverständlich, die „braucht" man nicht. Eigentlich braucht man fie
doch? Rechten wir nicht darüber, treiben wir auch die Kunstpolitik als
Realpolitiker praktifch! Schön oder häßlich, es i st einmal fo: den Bücher-
absatz in deutfchen Landen beftimmt fast zu fünf Sechsteln der Weih-
nachtsmarkt. Er beftimmt, welche Schriftsteller ermutigt werden follen,
weiter zu fprechen zu ihrem Volk. Er bestimmt, aus welchen Büchern
die deutfche Familie als aus ihrem ständigen Hausschatz geistig sich nähren
foll. Er ist demnach eine Sache von großer, von größEr Wichtigkeit
für unser Volk.

Wohl, und was leitet feinerseits diefen Weihnachts-Büchermarkt?

Wir müsfen uns ein wenig zufammennehmen, um nicht kurz und
bündig zu antworten: fröhlich und gemein das Geldgeschäft. Es ist fa
nicht ganz fo fchlimm, es gibt nicht nur unter den Verlegern, fondern
auch unter den Sortimentsbuchhändlern eine große Anzahl von ehrlichen
und gewiffenhaften Männern, die nach aller Einficht und Kraft bestrebt
find, das Gute, das Gediegene zu verbreiten, und dann fogar, wenn
der Vertrieb des Schlechten lohnender wäre. Der Sortimenter, der feinen
Beruf mit Stolz als den eines literarifchen Vermittlers und Beraters
auffaßt, ist noch nicht ausgeftorben. Aber wir haben vor genau zwei
Jahren davon gefprochen, wie fchwer fein Beruf ihm gemacht wird.
Und wer vermitrelt sonst auf dem Büchermarkt vor dem Christfest? Die
Kritik. Ach ja, unfre Kritik! Nun, nehmen wir höflich an, sie sei drei
Vierteljahr hindurch ein weißes Lamm, diefe Kritik, — vor Weihnachten

Runstwarl 2. Novemberheft ^899

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