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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

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Heft 11 (1. Märzheft 1900)
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Bachmann, F.: Zur Aufführung der Matthäus-Passion
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Palastfenster und Flügelthür
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0422

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Mnem solchen Publikum sich dankend verneigt, so steht er aus keiner höheren
Ebene, denn sein Publikum, und das Ganze ist nichts Besseres als eine Farce.

Die Matthäus-Passion gehört nicht in den Konzertsaal, ge-
hört nicht vor ein Konzertpublikum. Nach Jnhalt und Form ist sie sür einen
anderen Platz bestimmt und für eine Zuhörerschaft geschafsen, die seelisch und
sogar gesanglich mitwirkt. Wie lange wird die evangelische Kirche es mit an-
sehen, daß ihr Bestes, was sie an musikalisch-liturgischen Schätzen besitzt, von
unberufenen Händen feilgehalten wird, wann wird es dahin kommen, datz sie ihr
Eigentumsrecht geltend macht und alle rationalistischen und pietistischen Be-
denken von sich ausscheidend, kühn von diesem herrlichen Eiland Besitz ergreift
um es im eignen Gottesdienste wieder zu verwerten? Nur langsam dämmert
es hier. Möchte es etwas schneller gehen, datz nicht sein Bestes weiter pro-
saniert werde. Richard Wagner hat sich gesträubt, den „Ring des Nibelungen"
dem Theaterpublikum preiszugeben. Mag auch die protestantische Kirche von
ihm lernen. F. Bachmauu.

Valasttenster und Flügeltbnr.

Ein sonderbarer Titel, den Lichtwarkch neuestes Buch hat! Was
bedeutet er eigentlich? Heißt die ganze Sammlung nur so, weil zusällig
ihr erster Aufsatz so heißt? Oder ist's mehr als eine Sammlung, ist's
ein einheitliches Buch, und beim Titel ist etwas Symbolisches? Lesen wir!

„An einer Zeitungsnotiz über Ausgrabungen in Chaldäa berauschen
sich Millionen deutscher Zeitungsleser. Aber das regt niemand aus, daß
überall in Deutschland gerade in unsern Tagen eine köstliche heimische
Bauweise zu Grunde geht, die sür unsre künstlerische Zukunst wichtiger
ist, als alles, was unter den Trümmern Ninivehs verborgen liegt."
Wirklich: sehr viel wichtiger sogar. Jndeß, mit dem Tempel Griechen-
lands und dem Palaste in Florenz sangen wir an, wenn wir uns
mit Baukunst beschästigen. Wir sollten anfangen beim heimischen
Bauern- und Bürgerhaus. Ans Bedürsnis sollten wir uns halten
und an die Ueberlieferung der Heimat, wo sie noch nicht vernichtet ist.
Und wie steht's in Wahrheit? Lichtwark seuszt: „Palastsenster und
Flügelthür!"

„Die Nachahmung sürstlicher Pracht, ansangs ein beklagenswertes
Mißverstündnis, ist zu systematischer Barbarei ausgeartet." Blicken wir
zunächst aus Gestaltung und Beleuchtung der Jnnenrüume. Die Be-
leuchtung bewirkt das Fenster — wie ist's mit dem? „Jn der Fassade
bildet es die rhythmisch verteilten Dunkelheiten, die mächtiger als alle
Säulen, Ornamente und Gesimse den Charakter bestimmen. Wenn, aus
der Ferne gesehen, alle Schmuckformen in die Masse der Wand zurück-
gesunken sind, sprechen immer noch die dunkeln Flecke der Fenster, die
kein Licht zurückstrahlen. Und im Jnnenraum kommen weder Estrich,
Wand, Decke noch Thür gegen das Fenster aus. Es steht unter ihnen
wie ein lebendiges Wesen unter leblosen Dingen und hat an sich Gewalt,
den Raum groß oder klein, behaglich oder widerwärtig, künstlerisch oder
banal erscheinen zu lassen."

Und für dieses ausdrucksvollste Bauglied kennt die Architektur von
gestern und heute im Grunde nur eine Form: das italienische Palast-
fenster. Was alles von Fensterarten im Norden das Vedürfnis schus,
Runstwart
 
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