Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben (17,2.1904)

nichts, wenn nur die Poesie gc-
wahrt wird. Tenn Ansichtspostkarten
mit Vollmond, mußt du bedenken,
sind so poetisch."

So schrieben wir vor gerade scchs
Jahren, im ersten Septemberheft lBS.
Ein paar hundert Zeitungen druckten
das nach, und die Folge war, daß
die Ansichtspostkarten mit Vollmond
ein wenig in der Mode zurücktraten.
Jetzt aber gibt's ihrer schon wieder
sogar solche, wo Jalousieen gegen
Sonnenbrand die Ladenschaufenster
vor Vollmond schützen, ja, wo im
Mondschein Betten gcsommert wer-
den. Und so hat sich Th. Frimmcl
veranlaßt gesehen, in den „Blättern
für Gemäldekunde" der Sache ent-
gegenzutreten. Wir fürchten, es wird
auf die Dauer auch nichts helfen,
denn selbst wenn die sanfte Luna
so zudringlich wird, daß sie ihr
Angesicht in alles steckt — Mond-
schein ist nun einmal für ein dcut-
sches Gemüt unter allen Umständen
doch „z u poetisch".

P Das Theater von Lauch-
städt wird abgerissen, wenn nicht
das Eingreifcn der preußischen Rc-
gierung oder der Unwille der öffent-
lichen Meinung den Zerstörern in den
Arm fällt.

Goethe selbst hat den Bau ge-
leitet und dann für seine Einweihung

das Vorspiel „Was wir bringen"
gedichtet. Die ersten Aufführungen
Schillerscher und Goethescher Werke
hat dieses bescheidene Gebäude erlebt.
Auch hier verkehrten die beiden Größ-
ten unsrer Dichter persönlich an-
regend und unterrichtcnd mit den
Schauspielern, auch hier übten sie
sich in der Vertrautheit mit ber
Bühne, hier waren sie als Zuschauer
daheim, wcnu Badegäste uud Halle-
sche Studenten ein fröhliches Publi-
kum bildeten, und hier fand nach
Schillers Tod jene berühmt gewor-
dcne Totenfeier auf den eincn Un-
sterblichen unter des andern Unsterb-
lichen Leitung statt. Das hat das
Gebäude zu erzählen, das nun wcg-
gefegt wcrden soll. Warum soll
es fallen? Jst es baufällig und will
man ein anderes hinsetzen? Keine
Nede davon. Verlangt seincn Tod
der bcrühmte „moderne Verkehr"?
Jn Lauchstädt! Jst der Platz, auf
dem es steht, so unerschwinglich kost-
bar geworden? Jn Lauchstädt! Was
da Gründe, es paßt eben den Besitzern
jetzt mal was anderes. „Dürerbund"
und „Heimatschutz" habcn versucht,
was sich tun läßt, nun zeige die
öffentliche Meinung und die Ver-
tretung der Gesamtheit, die Regie-
rung, daß hier öffentliche Rechte in
Frage kommen.