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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

DOI issue:
Heft 16 (2. Maiheft 1905)
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Kalkschmidt, Eugen: Von allerhand Festlichkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0235
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aus Eindrücken einer sehr positiven Mitfreude an der Fröhlichkeit der
andern anferbaut. Dort steht man ztoar auch lächelnd da, daneben
und darüber; um das Dabeisein überhaupt aushalten zu können, muß
man sich über die Situation stellen. Das Lächeln aber ist etwas
schmerzhaft: es gilt schließlich demselben Volke, dem man angehört,
das man auch in seiner unsinnigsten und abstoßendsten Gebarung nicht
verleugnen darf, das man liebt und gern noch besser und tiefer lieben
möchte, auf dessen Zukunft man baut, in dessen Zukunft man weiter-
leben möchte, und sei es mit dem namenlosesten Ergebnis schlichter
Pflichterfüllung. Wer so empfindet, der darf nicht mehr nur überlegen
lächeln und mit gelassener Hand den „Pöbel" seiner verdienten Polizei
überantworten, der Selbstjustiz seines tödlichen Stumpfsinns, sondern
der hat ein Recht, zu klagen, anzuklagen und zu mahnen. Gottlob,
daß es heute doch wohl Tausende gibt, die das tun, die mit dem
Stumpfsinn der Hunderttausende nicht paktieren mögen, die der seelischen
Oede unserer Festlichkeiten, unserer Volksfestlichkeit aus dem Wege
gehen. Und gern etwas Besseres an ihre Stelle setzen würden, wenn
- sie nur immer wüßten, was und wie?

Jch glaube, der alte Weg, auf dem man zunächst und sicher zu
einer Besserung seiner selbst gelangt, ist immer noch der gangbarste,
um auch dem Ganzen aufzuhelfen. Ein jeder kehre vor seiner Tür,
und rein ist jedes Stadtquartier — auch in Dingen der Geselligkeit
und Festlichkeit. Auf den Familienfesten, im kleinsten Kreise der Freunde
also wäre der neue Wille zu ein paar wirklich erhöhten Lebensstunden
zu erproben. Wenn unsere häusliche Geselligkeit nichts weiter ist als
ein nervöses und abstumpfendes Abfüttern, wenn die feine Kunst des
Gespräches nicht von Mensch zu Mensch gepflegt wird, und sei es auch
mit Drangabe der Privat-Gedanken und -Jnteressen, die uns vielleicht
sehr viel, dem Andern aber sehr wenig bedeuten, mit einem Wort:
wenn wir uns nicht zur Geselligkeit wie zur Pflege und Schaffung
einer anderen Häuslichen Kunst einstellen und aufraffen — dann —
ja dann verfallen wir eben dahin, wo wir nun leider festsitzen: jedes
gesellige Beisammensein erscheint als eine lästige Pflicht, jedes Fest
als eine anstrengende Arbeit inmitten der Arbeit; als eine schwer
empfundene Kostspieligkeit, die man sich nur leistet, um sein gesell-
schaftliches Ansehen nicht einzubüßen. Als ob die wahre Geselligkeit
gepflegt würde, wenn man ein „Haus macht". Ganz im Gegenteil:
man mache das doch meist unzulängliche Haus hinter sich zu, so oft
man kann, und geselle sich statt in die Kneipe oder ins Hotel, statt
in irgendwelche „Lokale" in die frische Luft, die wir viel zu sehr
entbehren. Unsere Geselligkeit ist ja ganz steisleinen verstädtert und
verwintert. Während uns der Sommer seine Rosen streut, die Rosen
der guten Gelegenheit zu Gartenfesten und Landpartien, zu Wasser-
fahrten und Naturstromereien der unterschiedlichsten Art — geht sich
die gute Gesellschaft aus dem Wege, und wenn sie sich in den 5kur-
orten, Bädern, kurz: „auf dem Lande" wiederfindet, so macht sie sich
abermals durch verstädterte Formeln des Verkehres das Leben schwer.
Sie schleppt den Salon oder den Ballsaal unsichtbar mit sich in den
grünen Wald, auf die braune Heide und an das blaue Meer. Was hat
man in dem alten, traurig zerfetzten Deutschland in Gelände, in

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