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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

DOI Heft:
Heft 16 (2. Maiheft 1905)
DOI Artikel:
Kalkschmidt, Eugen: Von allerhand Festlichkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0236

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Schloß und Park für heiter gesellige Unternehmungen angestellt! Ohne
große Kunst, mit ein paar Künsten nur, ein paar geflügelten Ein- ^
fällen der guten Laune, des sruchtbaren Momentes. Hier wird uns
das alte Weimar und seine Kultur der sestlichen Geselligkeit noch
auf lange hinaus ein Vorbild sein können. Gelegenheitsgedichte macht
doch fast jeder einmal, warum Pflegt man das Gelegenheitsfest nicht
häufiger? Jrgend eine Jdee wird zugrunde gelegt, eine ernste so gut
wie eine heitere, ein paar farbige Fetzen werden umgetan, die Laute
hängt um, wer sie spielen, und seinen Schnabel wetzt, wer für alle
und zu allen reden kann. Wo sieht man denn noch ehrbare erwachsene
Menschen aus dem grünen Rasen ihrer großmächtigen Würde vergessen
und jung werden im heiteren Spiel, in der Freude an der Bewegung?
Jn einer deutschen Tageszeitung war neulich die Momentphotographic
eines englischen Ministers zu sehn, der Golf spielte — der Rarität
wegen, weil so was in Deutschland nicht möglich sei. Ein Minister,
der „herumspringt", wo bliebe die Würde? Und es braucht auch nicht
nur Sommerfeste zu geben. Jst die Winterluft unserem Geschlechte
schon tödlich? Winterreisen kommen allmühlich in Brauch wie der
Wintersport. Warum hört man nur so vereinzelt einmal von Winter-
festen? Warum so gar nicht vom festlichen „Begehen" des Frühlings?
Des Herbstes? Wie schnell ist hier ein Fleck Erde gesunden und her-
gerichtet mit dem, was rundherum in der Natur gedeiht.

Unsere Festlichkeit ist stillos, trocken und gequält. Sie ist über-
haupt keine Festlichkeit, solange der Pomp alles das ersetzen soll, was
doch durch Geld nicht zu erkaufen ist. Man sage nicht, daß der so
sehr differenzierte Mensch der geplagten Gegenwart nicht resolut in
den notwendig slachen Freuden einer größeren Gemeinschaft „mit-
machen" könnte. Sicherlich ist in ihr kein Raum für abgründige Er-
örterungen verborgenster Lebens- und Weltprobleme. Aber es ist doch
gar zu bequem, mit der Hinweisung daraus seine eigene „Wurschtig-
keit", seine Unfähigkeit zu sreiem leichtem Spiel der geselligen Phantasie
zu enischuldigen. Wer sich selber nicht zuzeiten vergessen kann und
immer hinter der umwölkten Jupiterstirne seinen Berufsschmerzen nach-
brütet, der scheint mir verdächtig, in eben diesem Berufe so ledern
und unergiebig zu sein wie außer ihm. Denn aus dem Leben muß
ja doch all unsere Tätigkeit schöpfen, und auch Geselligkeit ist Aus-
tausch von Leben. Als Austausch ist sie auch ein soziologisches Kunst-
werk, das als solches der tätigen Teilnahme eines jeden bedarf, der
teil an ihr nimmt und damit eins ihrer Organe wird. Sie verdichtet
sich zur Festlichkeit, sobald diese Teilnahme sich in einer bestimmten
heiteren Willensrichtung bewegt. Das ist dann wie beim Marschieren
im Tritt: der Rhythmus der Masse trägt den Einzelnen über Hem-
mungen hinweg, und er selber ist doch wiederum ein Träger und
Verstärker des Rhythmus. Er gibt und nimmt, und nimmt je mehr,
je mehr er ans Ganze abgibt. „Die Wogen des Festes", sagt Schmock
mit Vorliebe, und dabei hat er recht. Möchten wir bescheiden wieder
lernen, in sestlich gesteigerter Lebensfreude der Welt zu genießen, möchte
der schöne „Götterfunken" unserem Volke oben wie unten mutig an-
gefacht und sröhlich entzündet werden, soweit er noch verstohlen glüht
unter dem Wust von Konvention und Philisterei, unter dem Firnis

19^ Runstwart XVIII, 16
 
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