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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

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Heft 16 (2. Maiheft 1905)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0272

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als ein „einheitliches Ganzes", das
die Terraingesellschaft aufbaut, oder
durch Vermittlung des berühmten
„Bauherren", des ersten, aber ach
so vorübergehenden Hauseigentümers.

Die erste Art: Die Terrainge-
sellschaften haben das Gelände lange
genug von der Bebauung zurück-
gehalteu, die Straße ist bereits ge-
pflastert, Gas- und Wasserleitung sind
gelegt — nun möchte sich das Bauen
wohl lohnen. „Prächtig" muß die
Sache sein, natürlich, aber kosten
darf sie ebenso natürlich so wenig
wie möglich. Wozu haben wir denn
die Renaissancepaläste als Vorbilder
und wozu Stuck, Blech- und Mar-
morier-FarbentoPf? Es lebe die Jmi-
tation! Jm Baubureau der Ge-
sellschaft gibt's eine fieberhafte Tä-
tigkeit. Der leitende Architekt hat
nach dem Prinzip des kleinsten Kraft-
maßes mit den geringsten Mitteln
eine Wunderstraße aufzuführen. Und
das Werk gelingt. Nach einigen Mo-
naten sind die Paläste mit den echt-
imitierten Marmortreppen fertig.
Und in wiederum einigen Monaten
sagt zu Herrn Schulze in der Beletage
der Besuch: „Sie sind da in eine
prachtvolle Straße gezogen."

Und nun bei der Einzelhaus-
Spekulation. Der Herr mit dem
Baugeld wird mittlerweile gesucht
und findet sich. Hier geht alles
noch dürftiger zu als bei der Ter-
raingesellschaft. Von einem ausge-
bildeten Architekteu ist, das versteht
sich, nicht erst die Nede: ein Bau-
schüler stümpert einen Grundriß und
eine Fassade zusammen. Natürlich

muß auch dieses Haus mit allen
übrigen der Gegend „konkurrieren".
Was herauskommt ist eine Verhöh-
nung jedes Kunstgefühls. Das schadet
aber nichts: der „zweite" Eigen-
tümer — der Baugeldgeber — be-
zieht ja seine Rente. Oder wenig-
stens der dritte oder der vierte.

Geht einmal ein „Außenseiter"
ans Bauen, so ist zehn gegen eins
zu wetten, daß auch bei ihm das
Motto heißt: billig und schlecht,
aber prächtig. Denn hat er das
Terrain zur Bebauung gekauft, so
hat der Grund und Boden so viel
gekostet, daß in das Gebäude nicht
mehr viel hineingesteckt werden kann,
nach etwas aussehen muß es aber
doch.

So steht's in Berlin und so un-
gefähr in allen anwachsenden Groß-
städten Deutschlands. Auf eine Aende-
rung dürfen wir nur hosfen, wo
wieder mit Liebe gebaut wird, wo
das Bauen nicht Ausfluß des Bo-
denwuchers und der Spekulations-
wut ist. Alfred Messel hat im äußer-
sten Osten Berlins (am Forkenbeck-
platz) für eine gemeinnützige Bau-
genossenschaft einen Gebäudekomplex
geschafsen, der bis ius kleinste künst-
lerisch empfunden ist. Kann solches
bei riesigen Mietshäusern sehr wohl
geschehen, was würde erst in Garten-
städten geleistet werden können?

Heute wird durch den Bodenwucher
der letzte noch vorhandene Kunst-
sinn dem Volke sozusagen systema-
tisch ausgetrieben. Aber zu bleiben
braucht es nicht so.

Adolf Graborsk^



Anlere KUcler unä ^oten


Aus dem vorgesetzten Studienkopfe von Adolf Menzels Hand
mag uns noch einmal die Kunst dieses Großen mit ihren klarsten Augen
ansehen. Gerade hier, wo sie sich ganz unbeobachtet fühlt, zeigt sie sich
am allerdeutlichsten in ihrem innersten Wesen, gerade in dieser nicht für
die „Oesfentlichkeit" bestimmten Studie zum Kröuungslied. Kann man


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