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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

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Heft 17 (1. Juniheft 1905)
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Avenarius, Ferdinand: Meunier
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Bonus, Arthur: Wie die Erzählung entstand
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0281

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er die Erkenntnis, die ihn gesegnet hatte, und da das so spät ge-
schehen war, so wurden die letzten Jahre seines Lebens schon dadurch
zu einem tragischen Kampfe.

Ein gewaltiges Monument sollte entstehen, aber keinem Fürsten
und überhaupt keinem einzelnen, ein Denkmal, „der Arbeit" ge-
setzt, der mannigfaltigen Arbeit der werktätigen Menschheit unsrer
Zeit. Die Modelle sind so gut wie fertig. Wird es noch entstehen?

Auch Meunier, dem die Minderheiten der Borgeschrittenen an
allen Orten gehören, war doch zu groß, als daß er die Mehrheiten
in so kurzer Zeit schon hätte gewinnen können, und jene „Maßgeben-
den", die in so seltenen Fällen mehr als Vertreter der Mehrheiten
sind. Ein einfaches Nichtverstehen hier, eine dunkle Scheu vor dem
Neuerer und auch politische Gründe mögen mitgespielt haben, daß
nicht die Kunstsreunde und Sammler, aber die Behörden und die
sonstigen Vergeber großer Aufträge so zögernd, so vorbehaltlich, so
zur Zurücknahme geneigt dem größten Bildhauer des Vaterlandes ent-
gegenkamen. Es ist in Belgien, wie anderswo eben auch. Wenn die
Gemeinden dort so vorsichtig sind, und wenn der König bei seinen
jüngsten Aufträgen noch unter all den Talenten allein das Genie
überging — so gibt das gerade uns Deutschen keinen Grund, uns
erhaben zu glauben. Zu verstehen müssen wir suchen, was dort
wieder geschah, und zu ersassen, wie sich's ündern, wie sich's wohl
abstellen lasse, daß unter den künstlerischen Kräften so oft die besten
unbenutzt liegen bleiben. Einer der ersten Versuche des jungen Dürer-
bundes ging dahin, die Errichtung des Meunierschen Denkmals der
Arbeit in den Jndustriegebieten am Rhein zu ermöglichen, wo die Be-
dingungen so ähnlich denen seines Vaterlandes sind und wo sürstlich
reiche Jndustrielle die Mittel aufbringen könnten. Wollen die
deutschen Kunstfreunde die belgischen nicht beschämen? Sie gewünnen
Einziges in seiner Art. Meunier ist nirgends früher verstanden, nir-
gends höher gewertet worden, als bei uns. Krönte sein Denkmal der
Arbeit am Rhein die deutsche Liebe zu diesem Meister, der der
Welt gehört!

Zum Ruhme dieses Toten freilich braucht's dessen nicht. Wie
sich Gestalt zu Gestalt und Gruppe zu Gruppe aus seinem Werk an-
einanderreiht, klingt Vers zu Vers und Strophe zu Strophe das
eisentönige Lied von der Hand-, von der „Arbeiter-Arbeit" unsrer
Zeit hier nicht nur mächtiger auf als je vorher, sondern auch in un-
erhört reinem Klange. Wo wäre bei Meunier nur eine Schlacke
noch von irgend welcher Tendenz? Die Größe sehen zu lehren in
dem, was schwachen Augen gemein erscheint, das war für ein ge-
waltiges Gebiet des Menschenseins seine sittliche Tat. Was aus
ihr folgen mag, ist unsere Sache. - A

Mie clie brräklung enlslancl

Man kann darüber verschiedener Meinung sein, ob die Kräfte,
welche eine Sache, z. B. die Kunst, entstehen ließen, sie dauerud beherr-
schen müssen, damit sie gesund bleibe. Einig aber darf man darüber
sein, daß es von Nutzen sein muß, jene Kräste der Entstehung zu



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