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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

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Heft 13 (1. Aprilheft 1905)
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0050

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Zns Abendrot hinein. Die Sonne sank
Und wob ein letztes, wundersarnes Glüben
Um ihre hohe, wandelnde Gestalt.

Und Satan blickte rcgunaslos ihr nach
U7it den entgötterten, verlornen Augen.

Lmil s)rinz von Schönaich-Larolath

Eindrücke und Ueber-

Variutio ck6ls6ta,t. Jndividuali-
sierte Schönheit freut im Leben wie
in der Kunst mehr das allgemeine.
Sehr richtig. Nur muß man dabei
nicht bloß die Jndividualisierung,
sondern auch das Jndividualisierte —
die Schönheit — merken, wenn das
Vergnügen ganz sein soll.

*

Laster werden erst gefährlich, wenn
sie sich für Tugenden, Tyrannen,
wenn sie sich für Menschensreunde
ausgeben. Und das geschieht heute
sast auf allen Gebieten.

Selbstüberschätzung branchen wir
alle, um uns und andern nicht we-
niger zu scheinen, als wir sind. Denn
weil es für die lebendige Kraft nicht
Gegenwart oder gar Vergangenheit,
sondern immer nur Zukunft gibt,
sind wir Lebendigen jederzeit nur
das, was wir werden wollen. Freilich
aber nur dann, wenn dieses Wollen
aus unserm untrüglicheu Jnnersten
kommt, wenn unsere momentane
Selbstüberschätzung einen Zustand
vorausnimmt, der in der natürlichen
und notwendigen Entwickelungslinie
liegt, nicht seitwärts oder gar rück-
wärts.

*

Der Eitle will von andern immer
nur hören, was er sich selber sagch
der Gehaltvolle, was er sich selber
nicht sagen kann.

Das Schlimmste, was wir durch-
zumacheu haben, ist das Gefühl der
Schwäche, nicht das des Schmerzes.
Denn der Schmerz ist noch wohl-
bewehrter Kampf gegen den Feind
des Lebens, die Schwäche aber schon
unsere Entwaffnung in diesemKampfe.

Kein Mensch hat eigentlich andere
Pflichten zu erfüllen als Pflichten
gegen sich selbst, denn auch alle wirk-
lichen Pflichten gegen andere sind im
Grunde nur Forderungen des eigenen
Jchs, das in die Tiefen des Allseins
hinabreicht und daher in Wahrheit
eins ist mit aller Welt.

Lsanns von Gumxpenberg

A Ellen Key

reist jetzt in Deutschland herum und i
hält Vortrüge. Jhr Publikum be- !
steht gleich der Leserschaft ihrer -
Bücher zum allergrößten Teile aus ^
Frauen und Mädchen, die zu ihr
aufschauen wie zu einer Prophetin,
den üblichen Personenkultus mit ihr
treiben und sich sehr „modern" vor-
kommen, wenn sie ohne Erröteu an-
hören, was die schwedische Schrift-
stellerin von freier Liebe und freier
Ehe spricht. Jn den Zeitungsberich-
ten über Ellen Keys Vorträge wer-
den ihre Auslassungen kaum einmal
kritisch betrachtet; es scheint fast,
als betrachte man eine Heilige, deren
Worte man als offenbarte Weisheit
und Wahrheit unbezweifelt annehmen
müfse. Wer tiefer in ihr Wesen

l. Aprilheft Mö 37
 
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