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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

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Heft 19 (1. Juliheft 1905)
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Kalkschmidt, Eugen: Spiel und Arbeit
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Grunsky, Karl: Natur und Musik
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0391

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wir der Großstadt und ihrem übermäßig gesteigerten Bedürsnis nach
intensiven Reizen verdanken, und ist heute bei uns imrnerhin schon
so mächtig, daß er eine gesonderte Betrachtung nötig macht. Er
begrenzt das Spiel, und es ist nicht immer leicht, diese Grenzen
klar sestzustellen. Aber es ist nötig, damit uns das Spiel als Ge-
schwister der Arbeit fruchtbar erhalten bleibe.

Als Geschwister der Arbeit — das war es, was erinnert wer-
den sollte. Nicht ein Luxus für Leute, die nichts Besseres zu tun
haben; ein beschämendes Ueberbleibsel aus den Tagen der Kindheit
des Einzelnen oder der Gemeinschaft; eine Verirrung der soliden
Vernnnft ins bedenkliche Gesild der vagen Phantasterei. Sondern
eine fröhlich tätige Rast im regen Treiben alltäglicher Geschäste,
ein Ausatmen, ein Ausleben des „ganzen Menschen", wie ihn Schiller
sür die Zukunft ersehnte, ein rhythmisch wiederkehrendes Freiheits-
verlangen, dessen Besriedigung wirkt wie der goldne Sonnenschein
aus die sruchtbar schwellende Au. Lugen üalkschmidt

s^Ätur uncl sVIusik

Wir lieben beides, Natur nnd Musik, aber nicht sonderlich zu
gleicher Zeit, und viele sind froh, im Winter hübsch allein mit der
Tonkunst, im Sommer recht ungestört mit der Natur verkehren zn
können. Wie lästig sind Saalkonzerte und Theateraussührungen an
lauen Sommerabenden, wenn uns die Natnr mit all ihren Reizen
zu Gast bittet! Freilich, wenn man mitten ins Frühjahr hinein noch
verdammt ist, Prüfungskonzerte von privilegierten Mnsikschulen an-
zuhören, da freut man sich anf die musikfreien Waldtage. Aber
Wagners Ring zum Beispiel, der ist doch recht schön zu ertragen,
wenn Sommerlust weht und die Bilder drinnen im Theater wunder-
sam verschmelzen mit dem Anblick der Natur dranßen. Nicht das
Musizieren an sich ist feind dem Genuß der Natur: an dem vielen
unnützen Tonschwall liegt es, an den Unbeqnemlichkeiten, an der
Stickluft zwecklos erleuchteter Säle, daß unfere Erinnerung im
Sommer die Freuden der Tonkunst gerne mißt. Auch Gartenkonzerte
werden eher gemieden als gesucht, obschon die reiche Weide der Natur
unsere Sinne kräftigt und empfänglich macht —: was man dort
spielt, macht selten den Eindruck des Passenden, Harmonischen oder
gar Notwendigen. Wie dem abzuhelfen wäre, darüber hat Batka
im letzten Heft gesprochen. Jm Anschluß daran möchten wir hente
einmal überdenken, ob wir Natur und Tonkunst nicht mit Unrecht
als getrennte Größen auseinanderhalten.

Jn Wahrheit sind beide durch tausend enge und engste Bande
miteinander verknüpft. Wo Musik ist, entrinnen wir der Natur nicht,
und wo Natur ist, umfängt uns auch Musik. Zwar nicht als der
kunstreich verwobene Klang, wie ihn der menschliche Geist ersonnen
hat, aber in reich abgestuften Urlauten, die auch ihre Sprache führen.
Morgens in aller Herrgottsfrühe, wenn die Vögel erwachen, ist das
nicht zum Aufjnbeln? Vollends wer diese Morgenstunde im Freien
verlebt, vielleicht nach einsamer Nachtwandernng, wird den musi-
kalischen Langschläfer nicht beneiden, der von einer nächtlichen Musik-



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