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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

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Heft 19 (1. Juliheft 1905)
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Grunsky, Karl: Natur und Musik
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Schultze-Naumburg, Paul: Heimatschutz, [3]: die Würzburger Neumünsterkirche
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0395

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bild der sturmbewegten menschlichen Brust? Hat der Musiker nicht
die Macht, gewisse Leidenschasten durch elementaren Ansdruck in die
Sphäre des Naturnotwendigen, des Dämonischen zu erheben? Kann
man einer Tondichtung höheres Lob zollen, als daß man ihre sug-
gestive Macht mit der Wirkung eines Naturgebildes vergleicht? Er-
scheint die Musik im Licht solcher Gedanken nicht als eine zweite
Natur selbst, als ihr vereinsachtes Urbild, dem das Abbild der wirk-
lichen Erscheinung eher verwirrend gegenüberstünde?

Wir haben ein Werk, das die tiefe Uebereinstimmung zwischen
Natnr und Mnsik nachprüsen läßt: Wagners Ring. Da sind Bei-
spiele sür jede Art des Zusammenhangs, ausgenommen die Träu-
mereien der Sentimentalität. Da reden die Elemente ihre tönende
Sprache; kein Zusall, daß ein neuerer Aesthetiker (oder ästhetischer
Nenerer), Curt Mey, im Nheingoldvorspiel ein ganzes Weltwerden
entdeckt. Wie verschieden sind die Naturerscheinungen von Stnrm
und Gewitter gestaltet! Wie sanst spricht des Waldes Weben zu
Siegfried! Welche Größe im Erstehen des Tages, dessen Licht Sieg-
srieds und Brünhildes letzten Abschied erhellt! Jm Ring verlassen
wir die Natur nirgends — auch bei den Menschen nicht. Der Sturm
im Vorspiel des dritten Aktes des Siegsried ist ja auch der Sturm
in des Wanderers Brust; als sinstere Naturmacht steht der bleiche
Hagen im unheimlichen Vorspiel zum zweiten Akt der Götterdäm-
merung vor uns. Paul Schubring hat über derartige Eindrücke in
seinem Aufsatze „Die Natur bei Richard Wagner" (Kw. XVI, l.0, l()
an dieser Stelle berichtet. Für das Besünstigende der Natur bietet
nicht der Ring, wohl aber Parsisal zahlreiche Beispiele. Der Wald
mit dem heilspendenden See, den paradiesisch gehegten Tieren, dann
der Karsreitagszauber sind zugleich in jenem Sinn Naturmusik, daß
sie Einheit von Natur und Menschenseele, die Einheit in der Ent-
sühnung darstellen. Rarl Grunsky

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3. Die Mürzburger Neumünsterkirche

Unsere ersten Beispiele sür die Arbeitsgebiete des Heimatschntzes
betrafen die Bedrohung eines Stückes schöner Natnr und einer reiz-
vollen erinnerungsgeweihten Stätte. Heute möchte ich ein Schul-
Beispiel sür die künstliche Vernichtung unserer Städtebilder zeigen,
wie es charakteristischer kaum gesnnden werden kann.

Man betrachte zunächst Abbildung 2. Jn der reizvollen Straße
Würzburgs erblickt man im Hintergrunde eine prächtige Kirchen-
fassade, die in der Häuserreihe eingebaut ist. Die eingebaute Front
ist selbstverständlich eine genau so selbständige und berechtigte Kunst-
sorm, wie das sreistehende Gebäude. Ein Streit über den Vor-
rang eines Fassadengebäudes und eines sreistehenden Gebüudes würde
ungesähr jenen unsruchtbaren üsthetischen Streitfragen des 18. Jahr-
hunderts gleichkommen, in denen man sich darüber nnterhielt, ob
eine liebliche oder eine wilde Landschaft die schönere sei. Unsere
Kirchensront ist also von Grund aus als eingebaute Front erdacht


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Runstwart XVIII, sy
 
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