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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

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Heft 19 (1. Juliheft 1905)
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Schultze-Naumburg, Paul: Heimatschutz, [3]: die Würzburger Neumünsterkirche
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0396

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und ausgeführt. Die Beispiele dafür, daß folches geschah, find
bei uns in Deutschland genugsain zu finden, wenn auch nicht fo
häufig wie in Jtalien. Dort find die eingebauten Kirchenfaffaden
fast in jeder Stadt zu treffen, und viele von ihnen gehören zu den
anerkannten und berühmten Knnstwerken. Diefe mächtige Fafsade
in Würzburg gehört nun mit zu den interessantesten Barockbanten,
die wir in Deutschland haben. Jn älteren Reisebüchern finden wir
noch die Bemerkung, daß „seit Anfang des j8. Jahrhunderts die
nrfprüngliche Kirche durch An- und Aufbanten der entarteten Re-
naisfance verunstaltet fei". Wir denken heute anders darüber und
wir bewundern auch in jenen Bauten, deren Art wir als Jesuiten-
stil zusammenfaffend bezeichnen, den mächtigen monumentalen Sinn
und das bis zum änßersten entwickelte feine Gefühl für Raum-
gestaltung und für die vollendete Durchbildung des Details. Der
Sinn unserer Bauten ist ein anderer geworden und fo ist es natür-
lich, daß wir heute nicht mehr prächtige Jesuitenbauten errichten
mögen. Jmmerhin find wir längst darüber hinaus, den hohen Kunst-
wert des Geleisteten zu verkennen, nnd wir bewahren forgfältig die
Zeichen einer fo hohen künstlerischen Kultnr.

Man betrachte nun Abbildnng j und 3. Wir erkennen hier,
daß die Häufergruppe, die rechts die Zkirchenfafsade einfaßt, ver-
schwunden ist und daß aus dem Fronthaus ein Eckbau geworden ist.
Jnwieweit die Kirche zum Eckbau pasfend ist, ersieht man aus Ab-
bildung 5 und 6. Man meint fich einem Bauplatz gegenüber zu
befinden, hinter dem Hof- und Brandmauern stehen, die zum Anbau
weiterer Baülichkeiten dienen werden.

Das Merkwürdige hierbei ist nur, daß diese Bauten bereits
bestanden und künstlich niedergelegt wurden, und zwar in der Ab-
sicht, die Stadt zu verschönern. Hier faßt man sich an die Stirn
und fragt sich, ob man träumt, oder ob es wirklich möglich ist, daß
solche Verirrungen immer wieder von neuem begangen werden:' daß
man es sich Unsummen kosten läßt, um Städtekunstwerke zn zer-
stören und Anlagen dafür zu schaffen, deren Häßlichkeit und Un-
zweckmäßigkeit einem Kinde einleuchten müßten. Jn dem kleinen
Plan I im Text sieht man den Grundriß, wie er früher war. Die
schwarz eingesetzten Gebäude sind weggerissen, sodaß sich zwischen
Domstraße und dem kleinen Platz a der große Platz einlagert, wie
er auf Abbildung 5, 6* und Plan II sichtbar ist.

Sittes „Städteban" ist im Jahre j889 erschienen. Seit jener
Zeit hätte es eigentlich jedem Baumeister, der ein tieferes künst-
lerisches Jnteresse an seinem Beruse hat, klar sein können, daß die
kleine Platzanlage neben dem Chor eine außerordentlich glückliche
war, und die Trennung zwischen Domstraße und Platz nicht die
Folge einer winkeligen Banweise, sondern den Ausdrnck eines feinen
Stil- und Raumgefühls darstellte.

Dieses „Plätze schaffen" nnd „Bauwerke freilegen" ist seit dem

* Jch bemerke ausdrücklich, daß diese Aufnahme schlecht uud beson-
ders dadurch etwas entstellt ist, daß die Streifeu der mitphotographiertem
Passanten wegretouchiert werden mußten; immerhin dürfte sie die Situation
ungefähr erkennen lassen.

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