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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

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Heft 23 (1. Septemberheft 1905)
DOI Artikel:
Göhler, Georg: Franz Liszts Gesammelte Schriften und Briefe
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Schultze-Naumburg, P.: Friedhöfe
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0645

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Freilich hängt das ja damit zusamrnen, daß überhaupt der
Nutzen, den man aus der Beschäftigung mit der Persönlichkeit eines
schaffenden Künstlers sür die richtige Beurteilung seiner Werke ge-
winnt, noch viel zu wenig erkannt ist, und zweitens damit, daß
trotz allem Liszt von so und so vielen Kunstfreunden als Komponist
immer noch nicht ganz für „voll" genommen wird.

Wem weder seine Werke noch seine Schriften den Weg zum
Verständnisse des Schöpfers Liszt weisen, dem zeigen aber hosfent-
lich wenigstens die Schristen, daß er für die musikalische Kultur der
zweiten Hälfte des Jahrhunderts das eigentliche treibende Element
und eine Persönlichkeit war, die noch für lange Zeit hinaus nicht
bloß ein Problem für die pfhchologische Erklärung, fondern auch
ein Wegweifer in die Zukunft der Kunst bleiben wird.

Georg Göhler

^rieciköke

Mein heutiges Thema sollte nicht mit einem naheliegenden
andern, mit dem über das Grabdenkmal verwechselt werden.. Aus-
schließlich von Grabstätten soll die Rede sein. Selbstverständ-
lich halte ich die Frage des Grabdenkmals deshalb nicht für weniger
wichtig, sondern ich setze lediglich die Betrachtung voran, die für
die große Allgemeinheit wichtig wird. Es find doch nur verhältnis-
mäßig wenige Begüterte, für die die Errichtung eines Grabdenkmals
in Frage kommt, während die Gräber der Ungezählten, denen kein
anderes Monument als ein schlichtes 5kreuz gesetzt werden kann,
ungleich stärker den Gesamteindruck unserer Friedhöfe bestimmen. Man
sollte zwar meinen, daß da, wo nur bescheidene Mittel zur Ver-
fügung stehen, kein Raum zur Anwendung der trostlosen Verunstal-
tungsmethode unserer Zeit übrig bliebe. Trotzdem bestätigt uns
jeder Gang auf den Friedhos, daß auch hier so ziemlich alles, wie
von einem bösen Schicksal getrieben, die trostlosen oder lächerlichen
Formen annimmt, die für unsere Zeit so charakteristisch sind, während
man sich umgekehrt auf jedem alten Friedhos, und sei es die be-
scheidenste Ecke neben der Dorfkirche, überzeugen kann, daß mit den
schlichtesten Mitteln im höchsten Grade das erreicht werden kann, was
man doch vor allem auf dem Friedhofe sucht: ernste, ruhevoll ver-
söhnende Stimmung.

Wenden wir uns zu unsern Abbildungen. Man betrachte

Abb. l. und 2. Jch wähle für das Beispiel mit Absicht kein Bild, das

vielleicht durch ganz besondere vegetative oder landschaftliche Schön-
heit oder auch durch malerische Zusälligkeiten ausfiele, sondern eine
ganz schlichte Ansicht aus einem nicht einmal sonderlich alten Fried-
hos, und ein Kreuz, das kunstgewerblich keine besondere Leistung ist.

Und doch wird man aus dem kleinen Bilde etwas von jener schönen

Friedhofsstimmung empfinden, die man für denjenigen bereiten
möchte, der Ursache hat, den Friedhof aufzusuch n. Es sind schlichte,
mit Eseu bewachfene Grabhügel, die getrost etwas sorgfältiger ge-
halten sein könnten. Aber der Gesamteindruck ist doch der des
Friedens und des Trostes, wie ihn stille und eingefriedete Natur



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