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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

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Heft 23 (1. Septemberheft 1905)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0680

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den Provinzler zum Gesunden. Doch
wohl mit Unrecht, denn es handelt
sich hier, scheint mir, nicht um
Krank oder Gesund, nervöses Hasten
oder behäbiges Genießen: der Gegen-
satz liegt aus ganz anderem Gebiet.
Jene Art des Ganges, die wir beim
Menschen bewundern, ist die rhyth-
mische, nicht von heftigen Schwin-
gungen der Arme begleitete, die
ohne bewußte Kraftanstrengung voll-
zogen wird. Sie erreicht in leichten
Bogen, in einem gewissen Fließen
und Gleiten ihr Ziel, wo die Be-
wegung grade aus und in Zickzack
sich beständig unterbricht, wieder an-
setzt, im Winkel abbiegt, ohne Gleich-
mäßigkeit verläuft. Was als schön
und ansprechend empfunden wird, ist
das von Natur zweckmäßige; der un-
schöne starr berechnete Gang ist anch
unzweckmäßig, weil er größeren Kraft-
anfwand erfordert. Die eckige Be-
wegung setzt immer wieder mit starker
Energie, mit neuem Antrieb ein,
während die Bewegung in Knrven,
in Bogen noch von der ersten Be-
w'egungsrichtung Energie auf die
neue Richtnng überführt, nur ein
kleiner seitlicher Antrieb kommt neu
hinzu. Der schwebende rhythmische
Gang ist also im wesentlichen kraft-
sparend. Das führt uns auf ieinen
Ausdruckswert. Wie die höchste Kultur
überhaupt in leisen Nuancen sich
kundgibt, in seinen Andeutungen,
mehr in der leichten Bewegung als
im lauten Wort, das eher verfälscht
als verdeutlicht, so erkennen wir auch
am leichten Gang, bei dem die nuf-

gewandte Energie am zweckmäßigsten
angewandt wird, mehr ein Spiel
ist als eine Anstrengung, den Aus-
druck des Knlturmenschen. Die müh-
same Anstrengung, die an die Er-
oberung dieses Ganges von ganzen
Geschlechtern gewendet werden mußte,
ist hier sast ganz überwunden, und
die aufrechte Haltung, die uns vom
Tiere entfernt, feiert ihren höchsten
Triumph.

Selbstverständlich ist zu ergänzen:
Der unbeholfene Schritt dessen, dem
das Pflaster der Stadt nicht vertraut
ist, erscheint nnr auf dem neuen
künstlichen Boden unfrei und un-
zweckmäßig. Der schwere Schritt z. B.
des Bauern, der hinter seinem Pfluge
hergeht, ist dort von mindestens
ebenso vollkommener Zweckmäßigkeit,
wie der Schritt des Pflastertreters,
der seinerseits über die Baumwurzel
oder den Stein stolpert, die der sichere
Fuß des Landmenschen ohne merk-
liche Anstrengung überwindet. Drum
erscheint auch hier gewiß, daß jede
Umwelt besondere Formen der An-
passung begünstigt, und daß man
sich vor einseitigen Bewertungen
dieser Formen, wo sie einem un-
zweckmäßig erscheinen möchten, zu
hüten hat. F R

<S Die beigelegte Karte des
Verlages bedarf einer besonderen Er-
klärung wohl nicht, nur auf sie hin-
weisen wollen wir, da sie erfahrnngs-
gemäß ,anch von denen leicht über-
sehen wird, die guten Willens sind,
der Bitte um Adressen nachzukommen.

dnlere VUäer <rnä s^olen

Von Kaspar David Friedrich erzählt Ludwig Richter in seinen
Lebenserinnerungen, wie im kunstsinnigen Dresden das „Schütteln des Kopfes"
über die merkwürdigen Landschaften Friedrichs allgemein war. Man suchte
den einsamen Sonderling durchaus zum „höheren" Landschaftsideale zu be-
kehren, nnd als das nichts half, ließ man ihn eben gehen. Er ging denn
auch zufrieden still für sich in den Wald und malte etwa die Dämmerung,

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