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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

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Heft 22 (2. Augustheft 1905)
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Hagemann, Carl: Aufgaben des modernen Theaters, 2
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Cramer, Hermann: Das Violoncell im Hause
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0587

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dichterische Qualitäten verhelsen auch nicht dazu. Nur ein wahrhaft
gebildeter, zur inneren Freiheit gelangter Kulturmensch, der die ästhe-
tisch-technischen Ansprüche der Bühne zu erfüllen weiß, taugt zum
Führer der deutschen Schaubühne. Er ist der Theaterleiter der Zukunft.

Larl Lsagemann

vas Violoncell lrn ^ause

Wie oft hört man, daß die Literatnr des Violoncells nicht besonders reich
sei, daß man auf Uebertragungen für dieses Jnstrument zurückgreifeu müsse.
Zugegeben, daß sie nicht reich ist wie die Violinliteratur, nicht überreich tvie die
für Klavier und Gesang, so kann sie doch als durchaus wohlhabend gelten,
uud das dürfte zum Musizieren im Hause wie im Konzert um so eher ge-
nügen, als die Wohlhabenheit in vielfach meisterhaften, ja zum Teil in Stücken
von höchstem Werte angelegt ist. Anleihen bei Gesang, Violine oder Klavier
sollte man solange zurückweisen, bis man das eigene Schrifttnm des Violon-
cells genügend durchgekostet hat. Die Einrichtung von anderen Stücken
auf das Violoncell sind auch ganz anders zu beurteilen als eine Klavier-
übertragung. Das Erzieherische fällt weg, und je mehr im übrigen ein
Tonstück der Besonderheit eines Jnstruments entspricht, desto ärmlicher wird
in der Regel die Uebertragung ausfallen. Doch sei es drum: wenn nur
die Auswahl mit Geschmack und musikalischem Sinn getroffen wird, so
wäre grundsätzlich fürs Haus kaum etwas gegen Uebertragungen einzu-
wenden. Aber prüfen wollen wir vor allem, ob das Gerede von der
Armut der Violoncelliteratnr wirklich zutreffe, ob die Armut nicht vielmehr
bei denen stecke, die so schnell mit ihrem Urteil fertig sind. Die stattliche Neihe
von Werken, die wir hier anführen, ist nicht etwa eine mühsam zusammen-
gestoppelte Schar, sondern nur eine ganz kleine Auswahl aus dem reichen
Schatze, den ich demnächst ausführlich an anderer Stelle besprechen werde.

j. Die Zeit bis Haydn.

Die ültere Literatur besteht größtenteils aus Sonaten; daneben gibt
es auch Suiten, die aus Tanzstücken in derselben Tonart bestehen, außer-
dem Variationenwerke. Vieles ans der alten Zeit ist sür die damalige
Form des Violoncells, die sogenannte Gambe, Kniegeige geschrieben, z. B.
anch Bachs 3 Sonaten mit Klavier, während die Jtaliener schon srühzeitig
die Violoncellform benützten. Die Klavierstimmen sind wie bei den gleich-
zeitigen Violinstücken dem damaligen Musikgebrauche entsprechend meist nur in
bezifferten Baßstimmen ausgeschrieben und auf uns überliefert; die Heraus-
geber der Neuausgaben haben sie mit mehr oder weniger Liebe und Ge-
schick danach ausgeführt. Als bedeutendste Werke glänzen die drei Sonaten
von Johann Sebastian Bach. (Ausgaben Peters, Breitkops und Härtel, Stein-
gräber, Universal-Edition.) Sie sind schon mit obligater, teilweise ganz aus-
geschriebener Klavierstimme versehen. Die erste in 6 enthält ein wunder-
volles, sehr schönes Andante und kecke Allegrosätze, die in I) eine pracht-
volle Adagioeinleitung, ein lebhaftes Allegro, ein beschaülich fließendes
Andante und einen fpringtanzartigen, elastisch aufprallenden Schlußsatz von
hoher Schönheit; die in 6-inoll greift mit einem stürmisch beginnenden herr-
lichen Vivace von feinster Kontrapunktik und rastloser Kraft mitten hinein
ins volle Menschenleben, enthält auch ein wunderbares Adagio, das an
Schönheit dem berühmten Air, dem allzuviel wiederholten, nichts nachgibt



2. Augustheft jIOö

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