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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

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Heft 22 (2. Augustheft 1905)
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Moeller van den Bruck, Arthur: Die Überschätzung französischer Kunst in Deutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0573

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Oie NeberscbLt^mig frainosiscber ktunst
in Oeutseblanä

Deutsch sein heißt universal sein. Kein Volk hat es von jeher
mächtiger getrieben, aus sich herauszugehen, die Schranken des Eigenen
und Jnneren zu durchbrechen, sich ins Aeußere und Fremde vorzuwagen
und alle Lebens-, Denk- und Kunstkreise, mit denen es dort in Be-
rührung kam, in die eigenen einzubeziehen — wie eben das unsere.
Es ist das Faustische in uns, das sich nicht mit dem Menschen be-
gnügen, sondern auch noch die Welt haben will: und zweifellos ver-
danken wir üiesem Faustischen, diesem ewigen Drang, das Jndivi-
duelle zum Universalen zu steigern, unseren Reichtum und unsere
Schönheit als Volk — unsere ganze Geschichte, heldisch bis zum Aben-
teuernden, gleichgültig, ob wir sie nun von ihrer politischen oder von
ihrer geistigen Seite nehmen, leitet sich von ihm her.

Aber gleichzeitig zeigt uns üiese selbe Geschichte noch ein Anderes.
Der Universalismus hat eine Kehrseite, von der aus er zu einer
höchsten Gesahr sür ein Volk werden kann, und auch das Schweisen
ins Grenzenlose muß schließlich immer noch gewisse Grenzen einhalten,
diejenigen nämlich, von denen man wieder zu dem festen Mittelpunkt
des eigenen Wesens zurückkehren darf: denn sonst wird die Ausnahme
der fremden Lebenswerte nicht zu ihrer wirklichen Einwertung führen,
wird man durch die Anpassung an die fremden Daseinsbedingungen
nur die persönliche Selbständigkeit verlieren — kurz, wird der Uni-
versalismus nur den Jndividualismus unterbinden und damit das
Volk selbst aus die Dauer, wenn auch vielleicht nicht in seinem Mutter-
stamm, so doch in seinen einzelnen pionierhaften Aeußerungen, bloß
kosmopolitisch-charakterlos machen. Voll von solchen kompromißlerischen
Zeiten aber ist gerade unsere Geschichte: Zeiten, in denen das Deutsche,
das draußen blieb, nicht wieder heimfand und sich entschloß, die Bei-
spiele, die ihm andere Völker auf irgendwelchen Gebieten gaben, als
die einzig mustergültigen anzuerkennen, damit zugleich den Zusam-
menhang mit dem nährenden Boden ausgab und sich ins Künstliche,
Unnatürliche, Unorganische verirrte.

Man braucht bloß daran zu erinnern, wie die Entwicklung eines
deutschen Dramas aus den mittelalterlichen Ansützen dadurch einsach
wie abgeschnitten wurde, daß man die Form des romanisch-alexandri-
nischen Stückes sür Jahrhunderte als vorbildlich verkündete und sich
nur in seinen Nachahmungen gefiel! Gewiß hatte diese Stockung ihren
letzten Grund in unserem nationalen Mißgeschick, gewiß wurde sie

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