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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

DOI Heft:
Heft 21 (1. Augustheft 1905)
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Bonus, Arthur: Das Rätsel
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0505

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Vas Rätsel

Man pflegt das Rätsel als Scharfsinnsübung und Verstandesspiel
aufzufassen. Wäre das richtig, so hätten wir keine Veranlassung, uns
im Kunstwart mit ihm zu beschäftigen. Seine eigentliche Bedeutung ist
aber eine ganz andere und, wie wir glauben, für die Ausbildung der
Kunstsprache und -Empfindung sehr wichtige.

Freilich wenn man von den modernen Kunsträtseln oder etwa
ihren spütgriechischen und mittelalterlich-lateinischen und besonders huma-
nistischen Vorbildern ausgeht, so wird die Bestimmung als Verstandes-
übung recht behalten.

Wir sehen eines der besten von diesem Typus an, ein Schiller-
sches — es ist bekannt genug:

Lin voael ist es, und an Schnelle
Buhlt es mit eines Adlers Flug;

Lin Fisch ist's und zerteilt die welle,

Die noch kein größres Untier trug;

Lin Llefant ist's, welcher Türme
Anf seinem schweren Rücken trägt;

Der Sxinnen kriechendem Gewürme
Gleicht es, wenn es die chüße regt;

Und hat es sest sich eingebiffen
Ulit seinem spitzgen Lisenzahn,

So steht's gleichwie aus sesten Füßen,

Und trotzt dem wütenden Grkan.

Um dieses Rätsel zu raten, bedarf es in der Tat einer logischen
Operation umfangreicher und schwieriger Art. Man muß fünf ver-
schiedene Bilder zerlegen und die Merkmale vergleichen, um festzustellen,
welche zusammengehen. Hat man schließlich das Bild des Schisies zu-
sammen, so ist die poetische Freude längst dahin. Und daß — was
man den Schillerschen Rätseln als Gipfelungen ihrer Gattung zugeben
muß, — die Bilder schließlich zusammengehen, erregt nur noch kalte
Bewunderung. Bei den meisten Stücken dieser Gattung kommt aber
auch nachträglich keine einheitliche Vorstellung zustande, sondern es bleibt
^ ein Wort mit verschiedenen Bedeutungen in der Hand: der Bauer als ;
Dorfbewohner und als Vogelkäfig und was derartige Scherze mehr j
sind. Das sind freilich Verstandes- und kaum noch Verstandesspiele, ^
ausgerechnet statt gesehen und auszurechnen statt zu schauen. Und die j
Schlußempfindung ist eine sozusagen wissenschaftliche Befriedigung
darüber, daß alles „stimmt^, üsthetisch meistens eine starke Ernüchterung.

^ s. Augusthest sIOä 457 ^
 
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