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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

DOI Heft:
Heft 23 (1. Septemberheft 1905)
DOI Artikel:
Bartels, Adolf: Die Grossen und die Kleinen
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Vogel, Max Alfred: Gedichte in der Volksschule, [2]: Schwabenstreiche
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0637

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„Ihr tragt die Schuld an jenen ab,

Der euch zunächst steht und als Stab
Luch dienen soll, der an seinem Grt
Dem Ljöhern und so sort und fort,

Bis es der Höchste den Göttern bringt.

Und wer ein Glied nur übersxringt
In dieser Rette, der zeigt auch klar,

Daß er von jeher ein Ljeuchler war."

Leicht ist die Selbstbescheidung ja nicht, und ohne Menschliches,
Allzumenschliches geht es nicht ab im Leben, aber die Forderung ist
niemandem zu erlassen, und das Heil der Kleinen wie der Großen
liegt zuletzt immer in ihrer Erfüllung, in der Wahrheit.

Adolf Bartels

Geciickle in cier Vslkssckule

2. Schwabenstreiche

Zwölf- und dreizehnjährige Knaben sollen die „Schwabenstreiche"
von Uhland lernen. Das Gedicht wird mit Beziehung zum Geschichts-
unterricht dargeboten. Aber nicht so, daß man das Gedicht benützt,
um eine Wiederholung des Gelernten daran anzuknüpfen. Etwa:
Kaiser Rotbart. Wer war das? Wann regierte er? Aus welchem
Hause? Vorgänger? Nachfolger? Deren Regierungszeit? Welcher
Kreuzzug ist gemeint? Wann war er? usw.

Umgekehrt halte ich es für richtiger: Nicht die Gedichtsstunde
dient der Geschichte, sondern in der Geschichtsstunde bereite ich —
unmerklich für die Schüler — das Gedicht vor. Wenn ich Barbarossas
Kreuzzug behandle, so spreche ich auch von teilnehmenden Schwaben,
ich schildere die Rüstung eines Ritters, die so schwer war, daß er ein
tüchtiges Pferd haben mußte, er mußte Reiter Ritter) sein. Wie
lästig und mühsam war es erst in der Hitze zu gehn! Jch schildre
Klima und Landschaft von Kleinasien. Wüste. Steingeröll. Kein
Gras. Kein Quell oder Bach. Wasser fern im Palmenhain, in Zister-
nen bei den Häusern. Türken werden geschildert. Gebauschte Hosen,
unten eng, bunter Gürtel mit Dolch, Turban mit Haarstutz, krummer
Säbel. Wenn alles dies Anschauung geworden ist, besteht für das
Verständnis des Gedichtes keine Schwierigkeit mehr. Jch trage es
nun in der Deutschstunde vor.

Wer seine Jungens gut in Zucht hat und als Persönlichkeit
(d. h. nicht bloß wegen des Amtes) unantastbare Respektperson ist,
kann sich hier volle Freiheit nehmen und die „Schwabenstreiche"
recht dramatisch vorführen. Es gehört allerdings viel Takt dazu;
denn die Grenze zum Lächerlichen nur um einen Fuß breit über-
schritten — und alles ist verdorben.

„Deß Rößlein war so krank und schwach, er zog es nur am
Zaume nach." Mit allen Mitteln: Gebärde, Ausdruck, müdem,
schleppendem Tonfall muß die Anschauung hervorgerufen werden.
Ein geschickter Zeichner wirft mit ein paar Strichen das Bild an die
Tafel. Sonst malt man es in die Luft: das müde Pferd, die Vorder-



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