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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

DOI Heft:
Heft 13 (1. Aprilheft 1905)
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Avenarius, Ferdinand: Menzel
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0014

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1S. kk57k5 Kess7 1Z

1>IenLel

Den sie jetzt mit äußeren Ehren zur Gruft trugen, wie sie bis
dahin noch niemals ein deutscher Maler erfahren hat, der stand vor
dreiundsiebzig Jahren als ein armer Lithographenjunge verlassen auf
den Straßen von Berlin. Sein Vater, der Mädchenschullehrer und
Steindrucker aus Breslau, war bald nach der Uebersiedlung dorthin ge-
storben, der kaum Sechzehnjährige, obendrein fast zwergenhaft klein
und was man so „häßlich" nennt, mußte sich nun allein weiterhelfen.
Geschästskarten, Flaschenetiketten, Stubenmalerschablonen zum Brot-
erwerb — was uns bavon erhalten ist, überrascht noch heut, denn es
zeigt den, der sast noch Knabe war, schon unter dem Grundsatz: „sich
aus allem eine künstlerische Ausgabe machen!" Er erzwingt es dann,
auf die Akademie zu gehen — aber bald läßt er das wieder: sie hilft
ihm ja nichts: der größte deutsche Zeichner bleibt Autodidakt. Wie's
in ihm aussieht, zeigt bald sein erstes Bilderhest „Künstlers Erden-
wallen": Prügel erst vom Vater, dann von den andern, Hunger, Frohn,
ein Strählchen Glück, frühzeitiger Tod, Kunsthändlergeschäfte mit dem
Nachlaß. Bald aber gräbt er sein erstes Heimatgewächs mit den
Wurzeln aus der Vergangenheit: die „Denkwürdigkeiten aus der bran-
denburgischen Geschichte", die ersten Oelbilderversuche folgen ihnen,
und dann geht es an dasjenige Werk, das des Künstlers volkstümlichstes
wird und bleiben wird: Menzel erhält den Auftrag, mit ^OO Zeichnungen
Kuglers „Geschichte Friedrichs des Großen" zu illustrieren. Die an Kunst
und Geist wunderreichste Leistung der gesamten deutschen Jllustration,
vielleicht der gesamten Jllustration schlechtweg, dieses Dokument auch der
reifsten Menschenkenntnis hat ein junger Mann geschafsen, für den
noch der Vormund den Vertrag unterzeichnen mußte, da er selbst noch
nicht einmal mündig war. Er setzte sich nun in der Friedrichs-Zeit
fest. Jede Naht und jeder Gamaschenknopf an den Uniformen und an
den Zivilanzügen ward studiert, Stadt, Dorf und Landschaft, Schloß,
Haus und Scheune der Zeit, Tisch und Stuhl und Kleid, jedes Gefäß
und jedes Gerät, als gält' es, den ganzen Besitzstand des Jahrhunderts
mit höchster Peinlichkeit zu inventarisieren. „Der große Gelehrte"
ward, von dem Böcklin sprach. Ein alles beherrschendes zeichnerisches

k. Axrilheft G05 ^
 
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