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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

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Heft 16 (2. Maiheft 1905)
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Bartels, Adolf: Der Don Quijote
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Grunsky, Karl: Deutsche Musik in Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0242

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des sinnreichen Ritters." Die Tragödie des Jdealismus also? Ju-
wohl! Aber glücklicherweise auch die Komödie des Realismus (es ist
hier natürlich von Weltanschauungen, nicht künstlerischen Darstellungs-
weisen die Rede); denn Sancho Pansa „glaubt" zuletzt nicht weniger
fest als Don Quijote, wenn auch nicht an Ruhm und Heldentum, so
doch an die materiellen Genüsse seiner Jnsel — und er erhält seine
Prügel auch. Adolf Bartels

veulscke jVlusik in ^)aris

Ein jeder Pslegt vom Publikum nicht gerade mit lobender Ge-
berde zu reden — als ob der Sprecher ganz außerhalb des Publikums
stünde, als wenn er nicht selbst in irgend einem Fach für andere die
Zielscheibe der üblichen Bemerkungen wäre. Dicht bei unsern ge-
gründeten Urteilen wohnen immer noch Vorurteile genug. So ist
der Deutsche immer noch geneigt, die bildende Kunst der Franzosen
zu überschätzen (im Kunstwart sprechen wir nächstens ausführlicher
davon), anderseits aber glaubt er, daß die guten Pariser mit Musik
nur in kärglichem Maße versorgt seien; jedenfalls könne uns die
Musikpflege nicht an die Seine locken. Falsch geraten! Gerade die
Musik ist es, in der sich die Gebildeten beider Völker wieder ver-
stehen lernen!

Zunächst die bezeichnenden Tatsachen. Der Sonntag Nach-
mittag, jene gefürchtete Zeit, die wir oft in abgespannter Langeweile
verbringen, lädt den Pariser regelmäßig in drei große Orchester-
Konzerte: zu Colonne ins Chätelet-Theater, zu Chevillard, der die
Conesrts Uamoursux leitet, und ins Conservatoire, das einen von Er-
innerungen geheiligten Saal besitzt. Neuerdings haben sich die von
Cortot geleiteten Konzerte als ebenbürtig hervorgetan. Daß auch
noch andere Orchester anderweitige, und nicht eben schlechte Musik
machen, ist selbstverständlich; jene vier Konzertanstalten aber sind die
ersten. Sollte man es glauben? — der geschwätzige Franzose hält
besonders auf den Emporen, wo die Jugend Platz nimmt, ehrerbietiges
Schweigen während der Musik, oder regt sich über Störungen mit
gallischem Temperament auf; ich war einmal Zeuge davon, daß
nach einem Quartett von Beethoven ein Herr seinen störenden Neben-
sitzer zum Zweikampf forderte, weil er sich wegen seines Gelispels
nicht entschuldigen wollte. Ja, die Kammermusik! Jst es schlimm
bestellt, wo sich zeitweise zwei Vereinigungen allein den letzten Quar-
tetten Beethovens widmeten? Wo man in den Sälen von Pleyel,
Flaxland usw. fast in jedem Kammerabend Quartette Beethovens
hören kann? Es gab eine Looists äs Nusigus ^ruueÄiss (ob sie noch
da ist, weiß ich nicht), die in den neunziger Jahren Konzerte mit
Bach, Haydn, Mozart, Beethoven bestritt. Jm Dezember vorigen
Jahres konnte man in wenigen Tagen an deutscher Musik genießen:
Bach, 2s. Kantate, 2. Violoncellsuite, Beethoven, 7. Symphonie, Liszt,
Weihnachtsoratorium aus dem Christus, Wcrke von Händel, Gluck,
Schumann, Mendelssohn, Lieder von Mozart, Schubert, Liszt und
Wols, und zwar deutsch gesungen (z. B. „Grüß dich Deutschland aus
Herzensgrund"), außerdem von Wagner Tristan und Jsolde. Ange-



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Runstwart XVIII, ch
 
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