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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

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Heft 18 (2. Juniheft 1905)
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0357

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in die Augen gestochen in jener ersten Stunde, als sie, den Wasserzuber auf
dem Kopf, an ihm vorübergegangen war, in der Ruchgasse. Wer sie jedoch
war, wußte er tatsächlich nicht. Dunkel tauchte der Schrecken in ihm auf.
Er ließ aber nicht locker. „Weißt du, wer ich bin?" — „Ja, der Sonder--
bündler, wer sonst?" — „Und du? Bist dn —" Dann murmelte er sich
selbst dazwischen: „Es wird etwa nicht sein?" „Hannes! Hannes!" unter-
brach jetzt Ambrosmens Stimme das Verhör. Ursula entfloh durch das
Gebüsch. Hieseb drückte sich in den Schatten des Felsens. Ambrosmen jedoch
rief und suchte nach ihm, bis er ihn vor sich hatte und zur Rede stellen
konnte. Er war außer sich. „Was muß ich sehen?" klagte er, „kannst du
dich so weit vergessen, schon wieder mit Mädchen schön zu tun, als ob nichts
geschehen wäre. Und erst noch mit welchem Mädchen? Eh du Allmächtiger!"
Da wußte denn Hieseb, es war die Schwester dessen, den er im Kriege er-
schlagen hatte. Aber weil es sein langweiliger, flaublütiger Vetter war,
der in der Rolle des Sittenrichters vor ihm stand, faßte er sich rasch und
erwiderte: „So, so? Geht es diesen Weg? Daß ich Unglück gehabt habe,
das weiß niemand besser als ich selber. Aber gegen das Unglück ist nur
ein Kraut gewachsen und das heißt Glück. An mir will ich es nicht fehlen
lassen. Wenn du meinst, du habest mir das Gegenteil vorzuschreiben, so
kommst du an den Unrechten." Mit diesen Worten ließ er seinen wachsamen
Vetter stehen und wandte ihm den Rücken, alsbald nur von dem eineu Ver-
langen erfüllt, Ursula wieder ausfindig zu machen und mit ihr zu tanzen,
ja mit ihr zu tanzen, gerade mit ihr, jetzt erst recht.

Er fand sie unter den Zuschauern auf dem Tanzplatz, wie sie ver-
stohlen nach ihm auslugte. Er fragte nicht, sie widerstrebte nicht. Ganz
selbstverständlich faßte er sie an die Hand und trat mit ihr an. Der Boden
war überfüllt. Die Fackeln warfen ihr taumelndes Licht über die vielen
Bauernköpfe. Die Hände hatte er auf ihren Schultern lose aufgelegt und
beide wiegten sie sich in den Hüften, bewegten aber ihre Füße kaum. Dann
versuchte er es mit entschiedeneren Drehungen und Schwenkungen. Doch
blieben sie auch so auf einem Fleck festgebannt, da sie in dem Getümmel
und Gedränge zu einem freien Anlauf nicht kamen. Bis plötzlich vor ihnen
der halbe Tanzboden völlig frei dalag. Da stampfte Hans mit einem mäch-
tigen Tritt beinahe die Diele durch, stieß einen Jauchzer aus, packte das
Mädchen um die Hüfte, und sie wirbelten über die geräumte Fläche dahin.
Der schwebende Fuß beschrieb einen prachtvollen Bogen, der schönen Wurf-
linie nicht unähnlich, mit der zu ihren Häupten eine erste Sternschnuppe
durch den dunkelnden Himmel schoß.

A „Popularisieren?"

Von erwachsenen und besonders
von erst erwachsenden Wissenschaft-
lern kann man's bekanntlich oft ge-
nug mit erhabener Geringschätzung
äußern hören: als Popularisierungs-
arbeit müsse die ganze Literatur
beurteilt werden, die nicht zur eigent-

"lichen „Belletristik" gehöre und dabei
doch weder streng wissenschaftlich sei
noch „technisch" im Fachsinne arbeite.
„Diese Popularisatoren", Leute ohne
wirkliche eigene Arbeitsleistung, seien
vergleichbar jenen „Ausbeutern", wel-
che die Resultate der strengen Wis-
senschaft in praktische Erfindungen

2. Zuncheft jHOü

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