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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

DOI Heft:
Heft 19 (1. Juliheft 1905)
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Kalkschmidt, Eugen: Spiel und Arbeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0386

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18. 19

8piel unÄ )4rbeit

Eine ernsthaste Betrachtung über das Spiel an dieser Stelle —
sie dürste manchem wunderlich erscheinen. Ein neuer Beitrag zur
„Oberflächenkultur" des Kunstwarts, mißbilligen ernsthaft die einen.
Wie unerheblich sür uns — bemerken die andern, die Wichtigeres zu
tun haben. Sind wir denn Kinder? fragen ergänzend die Dritten.
Jch antworte mit einem Satze jenes Mannes, an dessen sestlich be-
kränztem Monumente wir eben erst das Versprechen abgelegt haben:
Bewahrer seines geistigen Erbes zu sein. Schiller hinterließ das
Wort: Nur im Spiele ist der Mensch ganz Mensch.

Ein wunderliches Wort. Jm Spiele, das doch „so gar keinen
Zweck" hat, sei der Mensch er selbst? Ebenderselbe Mensch, dessen
bewußt und zweckvoll geregelte Existenz ihn über die Natur im
weitesten Sinne hinaushebt und ihn zum Herrn macht über sie?
Unsere planvolle, manchmal ach nur zu sehr planvolle Jugenderzie-
hung zielt ja doch daraus hin, über die kindliche Lust am Spiel hinweg
die stählende Freude an der Arbeit zu entwickeln und damit die
Fähigkeit zu wecken und zu stürken: nun erst ganzer Mensch zu sein;
sürs Ganze zu schaffen, zu wirken; sich selber zu behaupten im
Kampfe gegen die Widerstände dieser Welt. Und nun kommt der
große Jdealist, dessen schweres arbeitsreiches Leben eine einzige große
Bestätigung ist der Auffassung von der Würde und Bedentung, vom
Seelenadel und Segen der Arbeit, stellt einen solchen Satz auf, ja,
und spricht seitenlang von nichts aNderem als von der Bedentung
des „Spieltriebes" für die ästhetische Erziehung, für die Erziehung
schlechthin. Welch ein Widersprnch!

Aber sind denn Spiel und Arbeit wirklich so schroffe Gegen-
sätze, wie sie uns von einer versteiften Pädagogik mehr oder weniger
abschreckend an die Wand gemalt werden? Nun hat das Spiel ein
Ende und der Ernst beginnt — so heißt es wohl, wenn der erste
Schulranzen gepackt wird; wenn der Jüngling in die weite Welt
marschiert; wenn der Mann am eigenen Herde Haus zu halten ge-
denkt. Der Ernst das eigentlich Wichtige und allein Berechtigte, das
Spiel ein störender Atavismus, dessen man sich schämt und je eher
je lieber entledigen möchte.

p Iulihest G05 329
 
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