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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

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Heft 17 (1. Juniheft 1905)
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Halm, August Otto: Bruckner als Melodiker
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0293

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so ist er ähnlich gegliedert wie der erste (Takt s—s6); inhaltlich steht er
in deutlichem Gegensatz zu ihm. Seine erste Htaktige Periode ist nicht
wie die am Anfang von gemessener Haltung; sie saßt vielmehr das Auf--
und Abwogen kürzer, drängender: ihr Jnhalt entspricht demjenigen der
Takte 5—(2. An Stelle der 3mal vier Takte folgt ihr eine Periode
von zwölf Takten mit auch äußerlich zusammenhängender Melodie ohne
eigentliche Zäsur (Takt 2(—32). Der Ausdruck ist im ganzen einheitlich,
das Streben nach Frieden ist jetzt mächtiger geworden, die Tendenz nach
abwärts beherrscht das Ganze der Linienführung. Jm 26. und 27. Takt
höreu wir noch eine zarte Klage, ohne leidenschastlichen Erguß, aber so
rührend, daß es nur natürlich scheint, wenn sie in der bisher starren
Begleitung einen Wiederhall findet. Müde und tiefatmend gibt sich die
Melodie zur Ruhe. Der Jnhalt der ganzen Stelle (von Takt 2s an) ist ähnlich
demjenigen der Takte 13 bis j6; aber wie tief ist hier die Sehnsucht n.aph
Stille, wie wohltuend ihre endliche Erfüllung, wie deutlich die Unmöglichkeit
einer erneuten Erregung! Lehrreich ist noch die Betrachtung der Takte (7
bis 20. Man versuche, sie als Anfang zu denken, — und man wird über
das Gefühl des Nichtverstehens nicht recht hinauskommen: wie verständlich
aber und schön sind sie als Antwort, als Konzentrierung und Steigerung
des Gefühlsausdrucks! Ein Beweis, daß die Forderung der Symmetrie
in sehr lebensvoller Weise erfüllt ist, daß sie nicht als Gebot von außen
oder als Selbstzweck erscheint, sondern als Mittel zu erhöhtem Ausdruck
benützt wurde. — Unser Beispiel bringt die wiederkehrende zweite Haupt-
gruppe, an die sich die zweite figurierte Wiederkehr der ersten Haupt-
gruppe anschließt.

Je näher man das Einzelne besieht und seine Bedeutung im ganzen
prüft, desto klarer wird die bewunderungswürdige Uebereinstimmung des
inneren Erlebens, des poetischen Gehalts mit der Form und den tech-
nischen Mitteln: was das eine will, fordert das andere. Eine Uebereinstim-
mung, die den Stempel des „Klassischen" trägt. August ksalm

Kus „kLaniraril" von Girnnierlkal

Vorbemerkung. Ueber Gimmerthals Lustspiel ist vor kurzem
(Kw. XVIII, 7) anläßlich seiner Ausführung im Dresdner Schauspielhause
ausführlicher berichtet worden. Das Ganze stellt sich seiner äußeren Hand-
lung nach als eine Liebesprüfung dar, bei der aber der Prüfende, König
Ramzarit, schließlich der ahnungslos Geprüfte ist. Jn freiester, ost kraus
verworrener Märchenform entwickelt sich das Spiel des verstiegenen könig-
lichen Willens und sein Widerspiel wie seine Wirkung in der Welt der
hohen wie der mittleren Menschen. Ramzarit tuUwie ein Erfüller Nietzsche-
Zarathustras: die alten Tafeln bricht er, und ist nun im Grunde eifriger
aus sich selbst neugierig, als auf die Wirkung dieses Bruches in den andern.
Die Neugier wird aus dem Spiel sast in bitteren Ernst getrieben, als ihm
aus der angebrochenen Freiheit von Gut und Böse heraus ein überlegener
Wille rätselhast entgegenwirkt, der denn doch seine Ueberlegenheit aus einem
guten und sehr ernsten Grunde, aus dem einer treuen Liebe zieht. So
sindet auch der König diesen Grund des Guten als festen Boden aufs neue

h Ouniheft 1905

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